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Geowissen

Neues Treibgas bedroht Ozonschicht

Dichlormethan-Emissionen könnten die Erholung der Ozonschicht um 30 Jahre verzögern

Die Ozonschicht hat vom Verbot vieler FCKW profitiert, aber jetzt nehmen die Emissionen von Dichlormethan zu - einem ozonabbauenden Ersatzstoff. © NASA

Versteckte Gefahr: Ein bisher kaum beachtetes Treibgas könnte die Erholung des Ozonlochs um bis zu 30 Jahre verzögern. Denn der Gehalt des Dichlormethans in der Atmosphäre hat sich seit dem Jahr 2000 nahezu verdoppelt, wie Forscher berichten. Das Problem: Weil Dichlormethan eher kurzlebig ist, galt es bisher als wenig ozonschädlich und wurde daher im Montreal-Protokoll nicht verboten. Doch diese Sicht muss nun wohl revidiert werden.

Eigentlich ist die irdische Ozonschicht wieder auf dem Wege der Besserung: Seitdem das Montreal-Protokoll im Jahr 1987 die Notbremse zog und die Emission langlebiger chlor- und bromhaltiger Treibgase weitgehend verbot, schrumpft auch das antarktische Ozonloch wieder. Wissenschaftler schätzen, dass es bis zum Jahr 2050 komplett verschwinden könnte.

Durch das Raster gefallen?

Doch diese Schätzung könnte zu optimistisch sein, wie nun Forscher um Ryan Hossaini von der Lancaster University aufdecken. Denn wie sie feststellen können auch kurzlebigere Chlorverbindungen bis in die Stratophäre gelangen und dort das Ozon abbauen. Und zumindest eine dieser Verbindungen nimmt weltweit zu: das Dichlormethan (CH2Cl2).

Dichlormethan ist im Vergleich zu den klassischen Fluorchlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW) eher kurzlebig. Es überdauert nur rund sechs Monate in der Atmosphäre statt mehrere Jahre bis Jahrzehnte wie langlebigere Treibgase. Deshalb wurde es beim Montreal-Protokoll ebenso wie Chloroform und andere kurzlebige Chlorverbindungen nicht verboten.

Gehalt seit dem Jahr 2000 verdoppelt

Inzwischen jedoch nimmt der Gehalt des Dichlormethans in der Atmosphäre besorgniserregend zu. Bei Auswertung von Messdaten der letzten gut 20 Jahre stellten sie fest, dass die Dichlormethan-Konzentration zwar bis in die späten 1990er Jahre langsam abnahm. Doch seit Anfang der 200er steigen die Gehalte wieder deutlich an. „Sie haben sich an Messstellen rund um den Globus seither etwa verdoppelt“, berichten die Forscher.

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Anstieg der Dichlormethan-Werte in der Atmosphäre (SH= Südhalbkugel) © Hossaini et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

„Dieser Anstieg des Dichlormethans ist frappierend und unerwartet“, sagt Koautor Stephen Montzka von der US-Meeres- und Atmosphärenforschungsbehörde NOAA. „Bisher ist zudem unklar, was diesen Anstieg verursacht.“ Dichlormethan wird als Löse- und Entfettungsmittel in der Metallindustrie verwendet, aber auch als Blähmittel von Polymerschäumen und als Ausgangsstoff für Ersatz-FCKWs.

Ozonschicht-Erholung verzögert

Das Problem dabei: Steigen die Dichlormethan-Gehalte der Atmosphäre weiter an, könnte dies die Erholung der Ozonschicht beträchtlich verlangsamen. Denn auch das Dichlormethan wirkt ozonabbauend und macht daher einige positive Effekte des Montreal-Protokolls zunichte. So könnte das Ozonloch über der Antarktis bis zu 30 Jahre länger offenbleiben als bisher angenommen, wie die Forscher mit Hilfe eines Modells ausrechneten.

Steigen die Dichlormethan-Werte nicht weiter an, sondern bleiben auf dem heutigen Stand, dann könnte dies die Erholung der Ozononschicht immerhin um fünf Jahre verzögern. „Momentan ist die Erholung der Ozonschicht noch auf Kurs, aber die Präsenz von zunehmend mehr Dichlormethan macht die Prognose schwierig“, sagt Koautor Martyn Chipperfield von der University of Leeds.

Genaue Überwachung nötig

Nach Ansicht der Forscher sollte künftig der atmosphärische Gehalt von Dichlormethan genau überwacht werden. Das könnte helfen, die Quellen zu identifzieren und aufzeigen, ob dieses Gas möglicherweise noch nachträglich in das Montreal-Protkoll aufgenomen werden musss.

Ähnlich sieht es auch der Atmosphärenforscher Johannes Orphal vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „Es war klar, dass nach dem Montreal Protokoll verschiedene Ersatz-Substanzen in größeren Mengen produziert werden würden. In der Tat wäre es nun an der Zeit, deren Auswirkungen genauer zu untersuchen und gegebenenfalls die Produktion solcher Substanzen wie Dichlormethan durch neue Vereinbarungen bzw. Protokolle zu begrenzen.“ (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms15962)

(Lancaster University/ Nature, 28.06.2017 – NPO)

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