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Astronomie

Hatte unsere Sonne einst einen Zwilling?

Sonnenähnliche Sterne könnten alle als Doppelsterne geboren werden

Geburt eines Mehrfachsternsystems in der Perseus-Molekülwolke, aufgenommen von den ALMA-Teleskopen. © Bill Saxton, ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), NRAO/AUI/NSF

Verlorener Partner: Den mystischen Sonnenzwilling „Nemesis“ könnte es einst wirklich gegeben haben. Denn unsere Sonne wurde wahrscheinlich einst als Doppelstern geboren. Das legen neue Beobachtungen in der Perseus-Sternenwiege nahe. Demnach könnten alle Sterne zunächst als Doppelsterne entstehen. Ein Teil von ihnen trennt sich dann kurz darauf und wird so zu „Einzelgängern“, wie die Astronomen berichten. Sollte sich dies bestätigen, wirft dies ein neues Licht auf die Sternbildung im Kosmos.

Doppelsterne sind im Kosmos keine Seltenheit – im Gegenteil. Bei den massereichen Sternen könnte ihr Anteil sogar bei 90 Prozent liegen, wie Astronomen festgestellt haben. Auch unserer nächster Nachbar, Alpha Centauri, ist ein Doppelsternsystem. Diese und andere Beobachtungen ließen einige Forscher sogar vermuten, dass möglicherweise die meisten, wenn nicht sogar alle Sterne zunächst als Paar entstehen.

Mystischer Begleiter

Auch unsere Sonne stand schon früher im Verdacht, einen Compagnon zu besitzen: „Nemesis“. Der Hypothese nach sollten störende Schwerkrafteinflüsse dieses Sonnenzwillings unter anderem Schuld an den periodischen Massenaussterben der Erdgeschichte sein. Astronomen suchten zwar intensiv nach einem solchen verborgenen Begleitstern, wurden aber nie fündig.

Doch „Nemesis“ könnte es durchaus gegeben haben – zumindest während der Geburt unserer Sonne. Indizien dafür liefern nun Sarah Sadavoy vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Steven Stahler von der University of California in Berkeley.

Doppelstern-Schwemme in Sternenwiege

Grundlage sind Daten der Radioteleskope des Very Large Array in den USA, mit denen Astronomen die 600 Lichtjahre entfernte Perseus-Molekülwolke beobachtet haben. In dieser Sternenwiege finden sich zahlreiche extrem junge Sterne und Sternenembryos, die teilweise weniger als 500.000 Jahre alt sind. Sie sind damit so jung, dass die Kernfusion in ihrem Inneren noch nicht gezündet hat.

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Die aktuellen Beobachtungen zeigen, dass die jüngsten dieser Sternenbabys nahezu alle Teil eines Doppelsystems sind. Bei den älteren war der Anteil dagegen geringer, wie die Astronomen berichten.

Der fächerartige Lichtpunkt links stammt von einem jungen Doppelsternsystem, dessen Sterne miteinander interagieren. © NASA, ESA and J. Muzerolle, STScI

Immer als Paar geboren?

„Wir haben eine Reihe von Modellen ausprobiert, die diese Verteilung von Doppel- und Einfachsternen erklären könnte“, berichtet Stahler. „Das einzige Modell, das die Perseus-Beobachtungen reproduzieren konnte, war eines, in dem alle Sterne ursprünglich als Doppelsterne mit weiten Entfernungen zwischen den beiden Partnern entstehen.“

Die Beobachtungen zeigen, dass viele der sehr jungen Doppelsterne in der Perseuswolke tatsächlich nur sehr lose gekoppelt sind: Ihre beiden Sterne liegen mehr als 500 astronomische Einheiten auseinander – dies entspricht der 17-fachen Entfernung des Neptun zur Sonne. Diese Konfiguration ist jedoch nicht stabil: „Innerhalb von einer Million Jahre trennen sich die Doppelsterne entweder oder ihre Orbits schrumpfen und nähern sich an“, erklären Sadavoy und Stahler.

Nemesis könnte existiert haben

Aus Modell und Beobachtung schließen die Astronomen, dass alle Sterne zunächst im „Doppelpack“ geboren werden – auch die Sterne vom Typ unserer Sonne. Rund 60 Prozent dieser Paare trennen sich jedoch nachträglich. „Einzelne, massearme sonnenähnliche Sterne sind demnach nicht das Ursprüngliche“, sag Stahler. „Sie sind das Resultat getrennter Doppelsterne.“

Auch unsere Sonne könnte demnach einst einen Zwilling besessen haben. „Wahrscheinlich gab es vor langer Zeit wirklich eine Nemesis“, so Stahler. Dieser „Bruder“ der Sonne löst sich jedoch aus dem Verbund und wurde ins All hinausgeschleudert. Er befindet sich heute vermutlich irgendwo in der Milchstraße und ist längst nicht mehr als einstiger Sonnenzwilling zu erkennen, wie die Astronomen erklären.

Neue Sicht auf Stern- und Galaxienbildung

Noch müssen die Astronomen klären, ob ihr Modell und ihre Beobachtungen in der Perseuswolke repräsentativ für den gesamten Kosmos sind. „Die Perseus-Molekülwolke gilt allgemein als typische Sternenwiege für massearme Sterne, aber unser Modell muss noch anhand anderer Sternenwiegen überprüft werden“, betont Sadavoy. Doch die Forscher sind zuversichtlich. „Wir haben hier die bisher stärksten Belege für dieses Szenario“, so Stahler.

Sollte sich dies bestätigen, dann hätte dies enorme Bedeutung für unser Bild des Universums. Denn dies wirft nicht nur ein neues Licht auf die Entstehung des Sonnensystems und die Vorgänge bei der Geburt neuer Sterne, es gibt auch neue Aufschlüsse über die Entwicklung von Galaxien. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press; arXiv:1705.00049)

(University of California Berkeley, 19.06.2017 – NPO)

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