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Astronomie

Galaxien: Gleichrichtung schon im frühen Kosmos

Hellste Galaxien wichen schon vor zehn Milliarden Jahren von der Zufallsverteilung ab

Eigentlich müssten die Galaxien in diesem Galaxiencluster zufällig ausgerichtet sein. Doch die hellste Galaxie im Cluster ist es nicht. © ESA/Hubble, NASA, HST Frontier Fields.

Rätselhaftes Phänomen: Die seltsame Gleichrichtung der massereichsten Galaxien mit ihrer Umgebung existierte offenbar schon im frühen Kosmos. Astronomen haben dieses Phänomen nun sogar bei Galaxienclustern in zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung nachgewiesen. Seltsamerweise wichen dabei nur die jeweils hellsten Galaxien eines Clusters von einer zufälligen Ausrichtung ab, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten. Eine eindeutige Erklärung für dieses Phänomen gibt es bisher nicht.

Die Großstrukturen des Kosmos sind ein Erbe zufälliger Fluktuationen im frühen Universum – so die gängige Lehrmeinung. Demnach treten Galaxien, Cluster und ähnliche Objekte zwar in bestimmten Bereichen des kosmischen Netzes gehäufter auf als in den sogenannten Voids. Ihre Ausrichtung aber müsste zufällig sein – so glaubte man jedenfalls.

Doch 2014 entdeckten Astronomen, dass die Strahlenbündel von Quasaren – aktiven Galaxienkernen – über große Entfernungen hinweg gleichgerichtet scheinen. 2016 bestätigte eine Studie mit Radioteleskopen dies auch für die Radiojets supermassereicher Schwarzer Löcher. Die Ursache für diese seltsame Gleichrichtung – und dies über Milliarden Lichtjahre hinweg – ist bisher rätselhaft

Suche in fernen Galaxienclustern

Auch bei Galaxienclustern ging man lange von einer zufälligen Ausrichtung ihrer galaktischen Mitglieder aus. Doch Beobachtungen in den letzten Jahren ergaben, dass die massereichsten Angehörigen solcher Galaxienhaufen ebenfalls keine zufällige Ausrichtung zeigen. Stattdessen zeigen ihre Achsen auffallend oft in Längsrichtung des Clusters.

„Es scheint fast, als wenn die massereichsten Galaxien des Kosmos ihre Umgebung wahrnehmen“, sagen Michael West vom Lowell Observatory in Arizona und seine Kollegen. Um mehr über dieses mysteriöse Phänomen in Erfahrung zu bringen, haben sie nun systematisch untersucht, wie weit in die Vergangenheit diese Gleichrichtung reicht. Dafür untersuchten sie mithilfe des Weltraumteleskops Hubble mehr als 2.000 Galaxien in 65 Clustern, die zwischen zwei und zehn Milliarden Lichtjahren von uns entfernt liegen.

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Gleichrichtung nur bei den hellsten Galaxien

Das Ergebnis: Betrachteten die Astronomen alle Galaxien in diesen Clustern, dann waren ihre Achsen tatsächlich eher zufällig verteilt. „Aber wenn wir nur die hellsten Galaxien in jedem Cluster berücksichtigen, dann sehen wir eine sehr starke Tendenz zur Gleichrichtung“, berichteten West und seine Kollegen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zufall liege hier nur noch bei etwa einem Zehntausendstel.

Seltsamerweise hing die Gleichrichtung der Galaxien nicht von der absoluten Helligkeit der Galaxien aber, sondern nur davon, dass sie die jeweils hellsten Objekte in ihrem Cluster waren. „Das passt zu den Ergebnissen früherer Studien, die ebenfalls darauf hindeuten, dass diese Galaxien sich in der Art ihrer Geburt und Entwicklung von den restlichen eines Clusters unterscheiden“, sagen die Forscher.

Schon vor zehn Milliarden Jahren vorhanden

Die Beobachtungen ergaben, dass selbst Galaxien in zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung diese Gleichrichtung mit ihrem Cluster aufweisen. Demnach gab es dieses Phänomen bereits, als das Universum erst ein Drittel seines heutigen Alters hatte. So weit in der Vergangenheit hatten Astronomen diese Gleichrichtung bisher noch nie nachgewiesen.

„Das ist ein wichtiges neues Stück dieses kosmischen Puzzles“, sagt West, „Denn es verrät uns, dass diese Gleichrichtung schon sehr früh eintrat – was auch immer sie verursachte.“ Die Tatsache, dass die Gleichrichtung schon relativ früh und bei damals schon sehr massereichen Galaxien auftrat, spricht nach Ansicht der Astronomen dafür, dass sich dieses Phänomen relativ schnell entwickelt haben muss.

Welches Szenario passt?

Diese Information könnte dabei helfen, die möglichen Erklärungen weiter einzuschränken. So geht eine Hypothese beispielsweise davon aus, dass Gravitationskräfte in Laufe der Zeit massereiche Objekte in Richtung der umliegenden Massenverteilungen ausrichten. Dafür allerdings wären eher längere Zeiträume nötig. Andere Hypothesen sehen die Ursache in Gravitationseffekten während der Galaxienbildung im frühen Universum oder in einer bevorzugten Einfallsrichtung von Materie in den Galaxienclustern.

Noch lässt sich auch auf Basis der neuen Beobachtungsdaten nicht entscheiden, welches Szenario stimmen könnte. West und seine Kollegen vermuten aber, dass die Ausrichtung der hellen Clustergalaxien etwas mit ihrer speziellen Position im Zentrum solcher Galaxienansammlungen zu tun haben könnte.

„Man nimmt an, dass diese Galaxien als eine Art Protonuclei der Cluster angesehen werden könnten“, so die Forscher. „Weitere Untersuchungen bei noch höheren Rotverschiebungen könnten uns zusätzliche Einblicke in die Prozesse und Zeitskalen liefern, die die Bildung und Entwicklung dieser massivsten Galaxien des Universums beeinflusst haben könnten.“ (Nature Astronomy, 2017; doi: 10.1038/s41550-017-0157)

(Lowell Observatory, 14.06.2017 – NPO)

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