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Astronomie

TRAPPIST-1: Neue Art der Planetenbildung?

Die sieben Erdzwillinge sind nach keinem der klassischen Bildungsmodelle entstanden

Die sieben Erdzwillinge von TRAPPIST-1 dürfte es eigentlich gar nicht geben - sie widersprechen beiden gängigen Planetenbildungs-Modellen. © NASA/JPL-Caltech

„Unmögliche“ Planeten: Nach gängiger Theorie dürfte es die sieben erdähnlichen Planeten um TRAPPIST-1 gar nicht geben. Denn sie liegen viel zu eng beieinander. Wie diese Erdzwillinge trotzdem gebildet werden konnte, haben jetzt Planetenforscher aufgeklärt. Demnach spielten dafür wandernde Brocken aus Eis und Stein und die sogenannte Schneegrenze eine entscheidende Rolle. Wie am Fließband produzierte die Kombination aus Wanderung und Akkretion nacheinander die sieben Exoplaneten.

Sieben auf einen Streich: Die Entdeckung von gleich sieben erdgroßen Exoplaneten um den Stern TRAPPIST-1 sorgte Anfang 2017 für Aufsehen. Denn der Großteil dieser Erdzwillinge könnte lebensfreundliche Bedingungen bieten – und sie liegen nur 39 Lichtjahre von uns entfernt. Sogar nach Signalen von Außerirdischen in diesem Planetensystem haben Astronomen schon gelauscht.

Zu eng und zu groß

Doch was viele nicht wissen: Eigentlich dürfte es dieses Planetensystem gar nicht geben. Denn die sieben Exoplaneten liegen gemessen an ihrer Größe zu dicht beieinander und an ihrem Zentralstern. Der Durchmesser des Systems ähnelt eher dem des Jupiter und seinen vier großen Monden. Das Problem: „Eine Entstehung vor Ort würde eine ungewöhnlich dichte Materiescheibe um den Stern erfordern“, erklären Chris Ormel und seine Kollegen von der Universität von Amsterdam.

Denn Gesteinsplaneten wachsen nur dann heran, wenn genügend Baumaterial vorhanden ist – Staub und Brocken, die sich nach und nach zusammenballen können. Gängiger Lehrmeinung nach sind die Materiescheiben um junge Sterne aber direkt in Sternennähe eher dünn. Große Planeten bilden sich daher meist eher weiter außen – wie auch im Sonnensystem der Fall.

Zu erdähnlich für eine Wanderung

Eine zweite Möglichkeit wäre, dass die Planeten einst weiter außen in größerem Abstand voneinander entstanden. Sie könnte dann erst nachträglich in ihre heutige, dichte Konfiguration gewandert sein. Das Problem hier: Jenseits der sognannten Schneegrenze bilden sich nur Eis- und Gasplaneten entstehen, erdähnliche Gesteinsplaneten dagegen entstehen nur innerhalb der Schneegrenze.

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Die Wasser-Schneegrenze bestimmt, wo welche Planeten in einem System entstehen. © NASA/ R. Hurt/ T. Pyle

„Eine Bildung jenseits der Schneegrenze kann daher nicht erklären, warum die TRAPPIST-1-Planeten alle eine erdähnliche Zusammensetzung haben“, sagen die Astronomen. „Zudem liefert keines dieser Szenarien eine Erklärung dafür, warum alle sieben Planeten nahezu gleichgroß sind – und etwa die Größe der Erde haben.“ Im Prinzip widerspricht TRPAIIST-1 damit beiden gängigen Planetenbildungs-Theorien.

Schneegrenze als Planetenfabrik

Aber wie entstanden die sieben Planeten dann? Auf der Suche nach einer Antwort haben Ormel und seine Kollegen verschiedene Szenarien in Simulationen durchgespielt – und eine Lösung gefunden. Demnach gab es tatsächlich eine Wanderung – aber nicht der fertigen Planeten, sondern ihrer Bausteine. Und: Die Planeten entstanden nicht gleichzeitig, wie wahrscheinlich im Sonnensystem der Fall, sondern wurden nacheinander gebildet.

Zu Beginn des Szenarios liegt die Wasser-Schneegrenze etwa bei 0,1 astronomischen Einheiten – ungefähr an der Außengrenze des heutigen Planetensystems. Wenn von weiter außen kommende eisumhüllte Planetesimale diese Grenze erreichen, verdampft das Eis und löst Turbulenzen aus, die die Brocken schnell miteinander verklumpen lassen. „Die Planetesimale verschmelzen so zu einem Planetenembryo“, erklären die Forscher.

So könnte die Planetenbildung bei TRAPPIST-1 abgelaufen sein: An der Schneegrenze ballten sich Planetesimale zu Planetenembryos zusammen. Diese wanderten nach innen und machten Platz für den nächsten. © Ormel et al./ Astronomy & Astrophysics

Planeten wie am Fließband

Ist dieser Planetenembryo groß genug, wird er weiter nach innen gezogen und wächst hier durch Kollisionen mit eisfreien Gesteinsbrocken langsam weiter an. Physikalische Prozesse sorgen dafür, dass diese Akkretion stoppt, wenn der Protoplanet den Innenrand der Materiescheibe und etwa Erdgröße erreicht, wie Ormel und seine Kollegen erklären.

„Nach einiger Zeit formt sich an der Schneegrenze ein zweiter Planetenembryo, der eine ähnliche Entwicklung nimmt“, berichten die Forscher. Von außen nachströmende Planetesimale und Wasserdampf aus dem Innenbereich sorgen dafür, dass das dafür nötige Baumaterial immer wieder aufgefüllt wird. Wäre allerdings im Außenbereich von TRAPPIST-1 ein großer Gasplanet gebildet worden, hätte er diesen Nachschub unterbunden – und es hätte die sieben Erdzwillinge nicht gegeben.

Nach und nach entstanden so die sieben Erdzwillinge und wanderten jeweils an ihre heutigen Plätze. „Die Planeten bildeten dabei einen Konvoy, bei dem die äußeren Planeten die inneren weiterschoben“, erklären die Wissenschaftler. Durch diesen Prozess kam es im Laufe der Zeit zur Ausbildung der Resonanzen in den Orbits der Planeten.

„Radikale Idee“

„Mit diesem Szenario haben wir ein neues Rahmenwerk beschrieben, wie Planetensystem um massearme Sternen entstehen können“, konstatieren Ormel und seine Kollegen. „Die radikalste Idee dabei ist, dass die Planeten alle an einem bestimmten Ort gebildet werden – der Wasser-Schneegrenze.“ Das widerspreche beiden konventionellen Modellen.

Einige Detailfragen des neuen Szenarios sind allerdings jetzt noch zu klären, das wollen die Astronomen nun angehen. (Astronomy & Astrophysics, in press; arXiv:1703.06924)

(Netherlands Research School for Astronomy, 12.06.2017 – NPO)

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