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Raumfahrt

Warum die Schiaparelli-Sonde abstürzte

Widersprüchliche Informationen sprengten Landefallschirm vorzeitig ab

So hätte es sein sollen: ESA-MArssonde Schiaparelli am Landefallschirm. © ESA/ TG medialab

Fatales Datenchaos: Die ESA-Marssonde Schiaparelli stürzte ab, weil der Bordcomputer die wahre Flughöhe nicht erkannte. Eine Störung im Trägheitssensor führte dazu, dass der Computer sich bereits am Boden glaubte – obwohl die Sonde noch 3.700 Meter hoch war. Als Folge wurde der Landefallschirm vorzeitig abgesprengt und die Bremsdüsen feuerten zu kurz, wie die Auswertung aller Daten nun ergeben hat.

Es sollte die erste weiche Landung einer europäisch-russischen Sonde auf dem Mars werden: Am 19. Oktober 2016 nachtmittags trat die Landesonde Schiaparelli wie geplant in die Marsatmosphäre ein und wurde durch ihren Hitzeschild bis auf knapp 2.000 km/h abgebremst. Doch kurz vor der Landung ging etwas schief: Kurz nach Auslösen des Überschall-Fallschirms verstummte die Sonde. Einige Tage später bestätigten Aufnahmen von Orbitersonden, dass Schiaparelli nicht gelandet, sondern abgestürzt war.

Die Ursache für die fehlgeschlagene Landung hat die ESA nun nach umfangreicher Prüfung aller Daten entdeckt. „Die in Echtzeit während des Abstiegs gesendeten Daten waren entscheidend, um Schiaparellis Schicksal genau analysieren zu können“, erklärt David Parker von der ESA. Erst beim Aufprall brach damals der Kontakt ab.

Höhe falsch eingeschätzt

Die Analysen ergaben: Der Überschall-Fallschirm löste wie geplant drei Minuten nach Eintritt in die Marsatmosphäre aus. Doch aus noch ungeklärten Gründen begann die Sonde stark zu rotieren. Dies führte dazu, dass die Trägheitssensoren für kurze Zeit „übersättigt“ waren – sie konnten keine korrekten Messdaten mehr ermitteln.

Dadurch erhielt der Bordcomputer widersprüchliche Informationen und Navigation und Leitsysteme schätzten die Position der Raumsonde falsch ein, wie die ESA berichtet. Der Computer nahm irrigerweise an, dass Schiaparelli schon unter dem Niveau der Marsoberfläche sein müsse und löste das Landeprogramm aus – obwohl sich die Sonde zu diesem Zeitpunkt noch in 3.700 Metern Höhe befand.

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Absturzstelle und Überreste von Schiaparelli auf der Marsoberfläche: Unten links sind Fallschirmund hinterer Hitzeschild zu sehen, unten rechts der vordere Hitzeschild. © NASA/JPL-Caltech/University of Arizona

Freier Fall statt sanfte Landung

Für die Landesonde war dies fatal: Ihr Fallschirm und hinterer Hitzeschild wurden verfrüht abgesprengt, so dass sie nun in freiem Fall auf die Marsoberfläche zuraste. Die Bremsdüsen, die normalerweise 30 Sekunden lang hätten feuern müssen, wurden nur drei Sekunden lang aktiviert – weil der Computer sich bereits am Boden glaubte. Sogar die wissenschaftlichen Instrumente fuhr das Bordsystem irrigerweise bereits hoch.

Als Folge dieser Fehler prallte Schiaparelli mit einem Tempo von 540 Kilometer pro Stunde auf der Marsoberfläche auf. Die ESA-Sonde landete dabei zwar fast auf der geplanten Stelle, leider aber alles andere als weich. Während die Orbitersonde der ExoMars-Mission erfolgreich in ihre Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenkte, war der Landeversuch damit gescheitert.

Lehren für ExoMars 2020

Das Problem daran: Die Landesonde sollte eine wichtige Generalprobe für die erste Landung eines europäischen Marsrovers auf dem Roten Planeten im Jahr 2020 sein. Der ExoMars 2020 Rover soll auf dem Mars Bohrungen durchführen und unter der Oberfläche nach Spuren von Leben suchen. Die Lande- und Kontrollsysteme der beiden Missionen waren identisch – zumindest bisher.

„Wir werden die Lehren aus diesem Ereignis ziehen, während wir die ExoMars 2020-Mission weiter vorbereiten“, sagt Parker. Er räumt ein: „Es gibt eindeutig eine Reihe von Gebieten im Abstiegs- und Landesystem, denen wir vorher mehr Aufmerksamkeit hätten widmen sollen.“ Immerhin hat das Scheitern der Schiaparelli-Landung nun die Schwachstellen aufgezeigt.

„Hätte es die Übersättigung der Trägheitssensoren nicht gegeben und die Endphase der Landung wäre erfolgreich gewesen, hatten wir diese Schwachstellen wahrscheinlich nicht identifiziert“, sagt ESA-Generaldirektor Jan Wörner.

(ESA, 29.05.2017 – NPO)

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