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Paläontologie

Neues vom Homo naledi

Forscher finden weitere Skelette des rätselhaften Frühmenschen

Anders als seine Zeitgenossen: Homo naledi (rechts) unterschied sich deutlich von anderen Frühmenschen, die zur selben Zeit lebten. Links: Kabwe-Schädel aus Sambia. © John Hawks

Neuer Blick auf den Homo naledi: Forscher haben drei weitere Skelette des rätselhaften Vormenschen gefunden, der erst vor kurzem zum Stammbaum des Menschen hinzugefügt wurde. Die teilweise erstaunlich vollständig erhaltenen Überreste eines Kindes und zweier Erwachsener komplettieren nun das Bild des Homo naledi – und provozieren erneut Spekulationen über die Frage, ob der Frühmensch bereits so etwas wie Begräbnisrituale kannte. Zudem scheint nun klar: Homo naledi lebte womöglich zeitgleich mit dem Homo sapiens.

Der umfangreichste Fund frühmenschlicher Fossilien, den Forscher je auf dem afrikanischen Kontinent entdeckt haben, hat dem Stammbaum des Menschen vor kurzem einen neuen Ast beschert: den Homo naledi. Auf die Skelette von mindestens 15 Hominiden dieser bis dahin noch unbekannten Menschenart waren Paläontologen um Lee Berger von der Universität Witwatersrand in einer Kammer in dem verwinkelten Rising Star-Höhlensystem in Südafrika gestoßen.

Das ungewöhnliche Mosaik aus primitiven und verblüffend modernen Merkmalen gibt Experten bis heute Rätsel auf. Nun hat ein Wissenschaftlerteam um John Hawks von der University of Wisconsin in Madison die Fossilien erstmals datiert und berichtet außerdem von einer weiteren Kammer in dem südafrikanischen Höhlensystem – und weiteren Überresten des mysteriösen Vormenschen.

Der Schädel von "Neo" © John Hawks

„Neo“: Erstaunlich vollständig

Den neuen Erkenntnissen der Forscher zufolge lebte der Homo naledi vor 236.000 bis 335.000 Jahren. Damit könnte der Frühmensch seinen Lebensraum mit dem Homo sapiens geteilt haben. Das Bild über den Zeitgenossen unserer Vorfahren vervollständigen neue Knochenfunde: Rund 100 Meter von der ursprünglichen Fundstätte entfernt, sind die Forscher bereits 2013 auf einen Raum gestoßen, aus dem sie inzwischen 130 Skelettteile geborgen haben.

Diese gehören zu mindestens drei verschiedenen Homo naledi-Individuen – zwei Erwachsenen und einem Kind. Das Kind ist dem Team zufolge im Alter von unter fünf Jahren verstorben. Von ihm sind sowohl Knochen vom Kopf als auch vom Körper erhalten. Von einem der Erwachsenen wurden lediglich der Kiefer und ein Beinknochen gefunden.

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Ein guter Läufer und Kletterer

Das Skelett des Dritten im Bunde, von den Wissenschaftlern „Neo“ getauft, ist dagegen erstaunlich vollständig: „Das Skelett von Neo ist eines der vollständigsten Vormenschen-Fossilien, die jemals entdeckt wurden“, sagt Mitautor Peter Schmid von der Universität Witwatersrand. Schädel und Unterkiefer seien sogar besser erhalten als bei der berühmten „Lucy“.

Neben dem Schädel tragen auch die weiteren Körperteile von Neo dazu bei, ein besseres Bild von dem Vormenschen zu bekommen. „Mit dem vollständigen Schlüsselbein und dem fast vollständig erhaltenen Oberschenkelknochen bestätigt sich, was wir bereits über die Größe und die Statur des Homo naledi sowie sein Talent sowohl fürs Laufen als auch fürs Klettern wissen„, sagt Lee Berger. Auch die Wirbel von Neo seien einzigartig: „Sie haben eine Form, die wir bisher nur vom Neandertaler kennen.“

Kulturelles Begräbnis?

Doch der neue Fund zeichnet nicht nur ein anatomisches Portrait des Homo naledi. Er gibt zudem Aufschlüsse über das Verhalten des Vormenschen. Denn die Tatsache, dass bereits zum zweiten Mal Skelette in schwer zugänglichen, unterirdischen Kammern entdeckt wurden, kann für Studienleiter Hawks kein Zufall mehr sein. Er glaubt: Es handelt sich dabei womöglich um eine Art Begräbnisstätte.

Bereits beim ersten Fund in der Rising Star-Höhle hatten die Forscher darüber spekuliert, ob die Toten absichtlich in der unzugänglichen Kammer beseitigt worden waren: Hatte hier eine Art Begräbnis stattgefunden? Die zweite Entdeckung dieser Art bestärkt das Team in seiner Hypothese: „Wie wahrscheinlich ist es, dass ein nahezu identisches Ereignis zufällig ein zweites Mal passiert?“, so Hawks.

„Fürsorge über den Tod hinaus“

Er ist sich nun sicher: „Wahrscheinlich nutzte der Homo naledi dunkle, abgeschiedene Orte, um seine Toten zu bewahren“, sagt Hawks. Stimmt das, spräche dies für eine erstaunlich hohe Intelligenz des Vormenschen. Frappierend dabei: Das Gehirn des Homo naledi hatte nur ein Drittel der Größe von unserem Denkorgan. „Er ist definitiv kein moderner Mensch – und doch scheint er ein Verhalten an den Tag gelegt zu haben, dass uns nur allzu vertraut ist: die Fürsorge für unsere Mitmenschen über den Tod hinaus“, sagt Hawks.

Der Homo naledi könnte demnach bereits so etwas wie rituelle Praktiken vollzogen – und erste Anzeichen menschlicher Kultur gezeigt haben. Damit würde eine weitere Parallele zum Neandertaler offenbar. Denn auch der Homo neanderthalensis kannte wahrscheinlich bereits Bestattungsrituale und bettete seine Toten in unterirdischen Kammern zur Ruhe, wie Funde aus Spanien nahelegen. (eLife, 2017)

(University of Wisonsin-Madison/ University of the Witwatersrand, 09.05.2017 – DAL)

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