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Geowissen

Amazonas erlebte zwei „Sintfluten“

In den letzten 20 Millionen Jahren überfluteten zwei Meeresvorstöße das Amazonasbecken

Der Nordwesten des Amazonas-Regenwalds lag vor wenigen Millionen Jahren gleich zweimal unter Wasser: Ein Meeresarm drang von der Karibik aus tief ins Inland vor. © NASA

Doppelte Flut: Teile des Amazonasgebiets sind schon zweimal vom Meer verschlungen worden. Denn vor 16 und vor 18 Millionen Jahren drang ein Meeresarm von der Karibik aus bis weit in den Nordwesten des Amazonasbeckens vor, wie neue Sedimentanalysen belegen. Diese Überflutungsphasen hinterließen nicht nur reichlich Sediment, sogar ein fossiler Haifischzahn zeugt von der marinen Vergangenheit des Regenwalds.

Das Amazonas-Gebiet beherbergt heute eines der größten Regenwaldgebiete der Erde – eine grüne Lunge unseres Planeten. Doch wie es in diesem riesigen, von Flüssen durchzogenen Gebiet früher aussah, ist bisher nur in Teilen bekannt. So fanden Wissenschaftler erst vor Kurzem heraus, dass der Amazonas-Fluss erst vor rund neun Millionen Jahren zum transkontinentalen Strom wurde.

Rätsel der Sedimente

Für Rätsel sorgen jedoch dicke Sedimentschichten, die an manchen Stellen des westlichen Amazonasbeckens hunderte bis sogar tausend Meter Dicke erreichen. Diese Ablagerungen stammen aus der Zeit des Miozän vor 23 bis fünf Millionen Jahren und müssen entstanden sein, als Teile dieses Gebiets unter Wasser lagen.

Doch woher kam dieses Wasser? „Es gibt verschiedene, einander widersprechende Interpretationen dieser Sedimente“, erklären Carlos Jaramillo vom Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa und seine Kollegen. Einige Forscher vermuten, dass ein flaches Binnenmeer das Amazonasbecken mehrere Millionen Jahre lang ausfüllte. Andere sehen eher einen großen Süßwassersee oder ein ausgedehntes, von Flüssen durchzogenes Feuchtgebiet als Urheber der Ablagerungen.

Der fossile Zahn eines Meeres-Hais, eingebettet in Sediment aus dem Amazonasgebiet. © Andres Valencia und German Bayona

Haifischzahn im Festlands-Sediment

Indizien für eine ganz andere Art der Wasserbedeckung haben nun jedoch Jaramillo und seine Kollegen entdeckt. Für ihre Studie analysierten sie Sedimentproben aus Bohrkernen, die bei Ölbohrungen im Osten Kolumbiens und im Nordwesten Brasiliens gewonnen worden waren. Sie untersuchten dabei vor allem die in den Proben gefundenen fossilen Pollen, aber auch andere Mikrofossilien.

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Dabei zeigte sich: Mindestens zweimal während des Miozäns wechselte die Zusammensetzung der Ablagerungen sehr abrupt. Dort, wo zuvor Pollen von Landpflanzen dominierten, fanden sich nun plötzlich Überreste mariner Organismen. Sogar einen Haizahn und das Fossil eines Fangschreckenkrebses entdeckten die Wissenschaftler im Millionen Jahre alten Sediment.

Zweimal vom Meer geflutet

Die Erklärung dafür: Mindestens zweimal während des Miozäns müssen Teile des Amazonasbeckens von Meerwasser überflutet worden sein. „Die Pollenfunde zeigen deutlich zwei kurzzeitige Phasen, in denen Meerwasser aus der Karibik den nordwestlichen Teil des Amazonasbeckens flutete“, sagt Jaramillo.

Datierungen ergaben, dass die erste dieser beiden Flut-Episoden vor 17 bis 18 Millionen Jahren stattfand und knapp ein Million Jahre anhielt. Der zweite Einstrom von Meerwasser ereignete sich vor 12 bis 16 Millionen Jahren und dauerte rund 3,7 Millionen Jahre lang. Das Salzwasser bedeckte dabei ein Gebiet, das vom heutigen Venezuela bis in den Nordwesten Brasiliens reichte.

Vordringen des Meerwassers (türkis) in das Gebiet des nordwestlichen Amazonasbeckens© Carlos Jaramillo, German Bayona und Edward Duarte

Meeresvorstoß durch Hebung der Anden?

„Geologen sind sich uneins, woher die Sedimente in dieser Gegend stammen. Aber wir liefern jetzt klare Belege dafür, dass sie marinen Ursprungs sind“, sagt Jaramillo. „Es ist offensichtlich, dass sich die Landschaft der Amazonasregion in den letzten 20 Millionen Jahren mehrfach stark gewandelt hat.“

Nach Ansicht der Wissenschaftler hängen die Meeresvorstöße ins Amazonasgebiet eng mit den tektonischen Veränderungen durch die Hebung der Anden zusammen. Während dieses Prozesses senkten sich Teile des Amazonasbeckens und seiner nördlichen Begrenzungen ab und ermöglichten so das Vordringen des Meerwassers weit ins Inland. (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1601693)

(Smithsonian Tropical Research Institute, 04.05.2017 – NPO)

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