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Medizin

Antibiotika-resistente Bakterien in Rohmilch

Ein neues Resistenzgen könnte die Bekämpfung gefährlicher MRSA-Krankenhauskeime erschweren

In Rohmilch können harmlose Bakterien mit einer neuartigen Antibiotika-Resistenz vorkommen. © Remus Moise / iStock.com

Harmlose Mikroben mit potenziell gefährlicher Resistenz: In Bakterien, die in Kuhmilch vorkommen können, haben Forscher ein neues Resistenz-Gen entdeckt. Damit können die Keime selbst der neuesten Generation von Breitbandantibiotika widerstehen. Wenn sich diese Resistenz auf Krankheitserreger wie MRSA-Bakterien überträgt, würde dies die Behandlung von Krankenhaus-Infektionen massiv erschweren.

Die Anzahl an Antibiotika-resistenten Keimen nimmt ständig zu. Schätzungen zufolge sterben allein in Deutschland jährlich etwa 15.000 Patienten an den Folgen von Infektionen durch solche Krankenhauskeime, die nur noch durch eine Kombination von verschiedenen Antibiotika bekämpft werden können.

Besonders verbreitet sind Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme, kurz MRSA. Sie erhalten ihre Resistenz gegen den Wirkstoff Methicillin durch bestimmte Gene, von denen bisher drei verschiedene bekannt waren, die als mecA, mecB, und mecC bezeichnet werden. Nun haben Forscher in einer anderen Bakterienart ein weiteres Resistenzgen gefunden, dass sich auf die MRSA-Keime übertragen könnte.

Zufällig entdeckt

Bei einer mehrjährigen Untersuchung von Milch von Kühen, die an Euterentzündung litten, stellten Vincent Perreten und seine Kollegen von der Universität Bern fest, dass sich darin Macrococcus caseolyticus befand. Dass diese harmlosen, zu den Staphylokokken gehörenden Bakterien beim Melken von der Kuhhaut in die Milch gelangen können, ist zunächst nicht ungewöhnlich.

Da die untersuchten Kühe aber mit Antibiotika behandelt waren, konnten in deren Milch nur solche Bakterien überleben, die gegen die verabreichten Medikamente resistent waren. Als die Forscher die M. caseolyticus Bakterien untersuchten, fanden sie jedoch keines der drei Resistenzgene, die bisher aus MRSA-Keimen bekannt sind. Die Keime mussten demnach einen noch unbekannten Resistenzmechanismus besitzen.

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Selbst neuste Antibiotika versagen

„Wir waren fasziniert von dieser neuartigen Resistenz und wollten herausfinden, welches Gen dahinter steckt“, kommentiert Perreten den unerwarteten Fund. Mit Hilfe einer Hochdurchsatz-Sequenzierung suchten die Forscher nach dem Gen – und wurden fündig. Sie konnten nachweisen, dass es sich um ein neues Methicillin-Resistenz-Gen handelt.

Das als mecD bezeichnete Resistenz-Gen bewirkt den Forschern zufolge eine Resistenz gegen alle gängigen Betalaktam-Antibiotika, zu denen zum Beispiel Penicillin gehört. Selbst die neueste Generation von Breitbandantibiotika, die gegen MRSA-Infektionen eingesetzt wird, sei dagegen wirkungslos, berichten die Wissenschaftler.

Gegen den gefürchteten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) sind viele Antibiotika wirkungslos. © Frank DeLeo, National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Möglicher Austausch

Die gute Nachricht: Auch mit ihrer Resistenz stellen M. caseolyticus Stämme keine Gefahr für den Menschen dar. Zudem wurden die Bakterien bisher hauptsächlich bei Kühen identifiziert. Lediglich ein Fall ist Perreten bekannt, in dem sie auch bei einem Hund identifiziert wurden. „Dies bedeutet, dass diese Bakterien das Potenzial haben, verschiedene Tierarten zu kolonisieren“, erklärt der Bakteriologe.

Die Gefahr: Durch Austausch mit anderen Bakterien könnte M. caseolyticus das mecD-Gen weitergeben, und so zum Beispiel die schädlichen MRSA-Keime noch gefährlicher machen. Ein solcher Transfer könnte stattfinden, wenn ein Mensch mit MRSA-Keimen zusätzlich mit den M. caseolyticus in Kontakt kommt, zum Beispiel beim Verzehr von Rohmilchprodukten wie Rohmilchkäse.

„Bislang gibt es keine Hinweise auf mecD beim Menschen“, sagt Perreten, „aber das Überspringen des Gens von M. caseolyticus zu Staphylococccus aureus würde die Bekämpfung von Krankenhausinfektionen zusätzlich massiv gefährden.“

Genaue Beobachtungen nötig

Die Wissenschaftler sind sich einig, dass die weitere Verbreitung des mecD-Gens durch natürliche Selektion unbedingt vermieden werden sollte – insbesondere durch eine Einschränkung von unangemessenem Antibiotika-Einsatz bei Tieren und Menschen. „Es ist zwingend nötig, die weitere Evolution und Ausbreitung dieses neuen Resistenz-Gens bei tierischen wie auch menschlichen Bakterien zu beobachten“, mahnt Perreten.

Vielleicht können die Wissenschaftler dank der frühzeitigen Entdeckung dieser neuen Antibiotikaresistenz noch rechtzeitig eingreifen, um eine Übertragung auf die gefährlichen MRSA-Keime abzuwenden. (nature, 2017; doi: 10.1038/srep43797)

(Universität Bern, 27.04.2017 – CLU)

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