Anzeige
Evolution

„Hobbit“-Stammbaum sorgt für Überraschung

Der kleinwüchsige Homo floresiensis könnte eng mit dem Homo habilis verwandt sein

So könnte der rätselhafte "Hobbitmensch" - Homo floresiensis - ausgesehen haben. Sein Ursprung jedoch ist strittig. © Katrina Kenny/ SA Museum

Verblüffende Enthüllung: Die mysteriösen „Hobbitmenschen“ von der Insel Flores stammen offenbar doch nicht vom Homo erectus ab. Stattdessen könnten diese kleinwüchsigen Frühmenschen weitaus archaischere Wurzeln haben – in Afrika: Anatomische Vergleiche legen nahe, dass der Homo floresiensis eng mit dem Homo habilis verwandt ist und sich schon vor 1,75 Millionen Jahren aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelte, wie Forscher berichten.

Seit seiner Entdeckung gibt der Homo floresiensis Rätsel auf. Denn die kleinwüchsigen Vormenschen lebten bis vor rund 50.000 Jahren auf der indonesischen Insel Flores und verpassten damit die Ankunft des modernen Menschen in dieser Region nur knapp. Dennoch besitzen die „Hobbits“ verblüffend archaische Merkmale.

Wie passt der „Hobbit“ in unseren Stammbaum?

Wie der mysteriöse Homo floresiensis in den Menschenstammbaum passt und wer seine Vorfahren waren, ist daher bis heute heftig umstritten. Einige Forscher halten die „Hobbit“-Fossilien bloß für das Produkt eines Gendefekts oder einer anderen Behinderung, andere sehen im Homo floresiensis eine vom Homo erectus abstammende, eigene Menschenart.

Eine ganz neue Theorie liefern nun Debbie Argue und ihre Kollegen von der Australian National University. Sie haben in den letzten Jahren die „Hobbit“-Fossilien und ihre Merkmale gründlich analysiert und die Skelette in 133 Datenpunkten von Kiefer, Schädel, Zähnen, Armen, Beinen und Schultern mit anderen Vor- und Frühmenschenarten verglichen.

Kein Nachkomme des Homo erectus

Das Ergebnis: Homo erectus war wahrscheinlich nicht der Vorfahre des Homo floresiensis. „Wenn man versucht, beide im Stammbaum miteinander zu verbinden, bekommt man ein nicht tragfähiges Ergebnis“, erklärt Argue. „Alle Tests ergaben, dass es einfach nicht passt – es ist einfach keine belegbare Theorie.“

Anzeige
Schädel des Homo floresiensis. Viele Merkmale dieses Frühmenschen sind erstaunlich archaisch. © Stuart Hay/ ANU

Einer der Gründe dafür: Der Hobbitmensch war in vielen Merkmale, darunter der Struktur des Kiefers, sogar noch archaischer als der Homo erectus, wie die Vergleiche ergaben. „Es wäre schwer zu erklären, warum eine solche Regression stattgefunden haben sollte – warum sollte sich der Kiefer des Homo erectus zurück zu einem primitiveren Zustand entwickeln, wie wir es beim Homo floresiensis sehen?“, fragt Argue.

Ihr Kollege Mike Lee von der Flinders University ergänzt: „Wir sind und zu 99 Prozent sicher, dass der Hobbitmensch nicht mit dem Homo erectus verwandt ist und fast 100-prozentig, dass er kein missgebildete Homo sapiens ist.“

„Bruder“ des Homo habilis?

Stattdessen könnte ein anderer Vormensch der nächste Verwandte der Hobbitmenschen gewesen sein: der Homo habilis. Er entwickelte sich vor knapp zwei Millionen Jahren in Afrika und damit etwas vor dem Homo erectus. „Unsere Analysen ergaben, dass Homo floresiensis wahrscheinlich eine Schwesterart des Homo habilis gewesen ist“, berichtet Argue.

Nach Angaben der Forscher sprechen ihre Merkmalsvergleiche dafür, dass Homo habilis und Homo floresiensis einen gemeinsamen Vorfahren hatten. Möglicherweise spaltete sich der Zweig der „Hobbits“ sogar noch vor dem Homo habilis von dieser Stammeslinie ab. „Homo floresiensis steht an einer sehr frühen, archaischen Position der menschlichen Evolution“, betont Lee. „Unsere Analyse liefert klare Indizien für eine enge Beziehung zum Homo habilis.“

Stammbaum mit Fragezeichen: Wer zu unseren Vorfahren gehörte und wer wirklich eine eigene Art bildetet, ist bis heute unklar. © gemeinfrei

Ursprung in Afrika oder woanders?

Wie und wo jedoch die Hobbitmenschen entstanden, ist nach wie vor unklar – vor allem, weil weder die Vorfahren des Homo habilis noch der Homo habilis selbst nach heutiger Erkenntnis je Afrika verlassen haben. Erst der Homo erectus und seine Zeitgenossen breiteten sich bis nach Asien aus, wie Fossilienfunde belegen.

Wie und warum der Homo floresiensis oder seine Vorfahren nach Indonesien gelangten, ist daher mehr als rätselhaft. „Es ist möglich, dass sich der Homo floresiensis in Afrika entwickelte und dann auswanderte“, mutmaßt Argue. „Es könnte aber auch sein, dass der gemeinsame Vorfahre Afrika verließ und dann erst aus ihm die Hobbitmenschen wurden.“ Letzteres würde besser zu der Vermutung stammen, dass die kleinwüchsige Gestalt des Homo floresiensis mit seinem Leben auf einer kleinen isolierten Insel zusammenhängt.

Weitere Analysen müssen nun zeigen, ob sich diese Rekonstruktion der Verwandtschafts-Verhältnisse und der Evolution der Hobbitmenschen bestätigt. (Journal of Human Evolution, 2017)

(Australian National University, 24.04.2017 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Neandertaler - Neue Erkenntnisse über unsere Steinzeit-Cousins

News des Tages

Mittelmeer

Umgekippte Erdplatte im Mittelmeer entdeckt

Wie Urzeit-Mikroben Wasserstoff spalteten

Neue Hoffnung für Voyager 1

Bücher zum Thema

Im Fokus: Paläontologie - Spurensuche in der Urzeit Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Die Welt des Neandertalers - Von den Ursprüngen des Menschen von Juan L. Arsuaga

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Top-Clicks der Woche