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Neurobiologie

„Nachteule“ durch Genmutation?

Dominant vererbte Genmutation bremst den Takt der inneren Uhr

Bei extremen Nachteulen könnte eine Genmutation am verschobenen Tagesrhythmus schuld sein. © OcusFocus/ iStock.com

Vererbter Rhythmus: Wer eine extreme „Nachteule“ ist, der kann vielleicht seinen Genen die Schuld geben. Denn Forscher haben bei extremen Langschläfern eine Mutation entdeckt, die den Takt der inneren Uhr bremst. Dadurch schwingt der interne 24-Stunden-Rhythmus bei diesen Menschen langsamer. Die Genmutation könnte auch erklären, warum extreme „Nachteulen“ oft in Familien gehäuft vorkommen.

Wer zu den „Nachteulen“ gehört, der kommt morgens schwer aus dem Bett, läuft aber dafür abends zu Hochform auf – im Gegensatz zu den sogenannten „Lerchen“. Dass es solche Chronotypen gibt, ist schon länger bekannt. Und vor kurzem erst stellten Forscher fest, dass es einige Genvarianten gibt, die Menschen eher zu Frühaufstehern werden lässt.

Innere Uhr tickt langsamer

Jetzt zeigt sich, dass auch extreme Nachteulen eine spezifische genetische Veranlagung für ihren verschobenen Tagesrhythmus haben. Für ihre Studie hatten Alina Patke von der Rockefeller University in New York und ihre Kollegen das Schlafverhalten, den Hormonhaushalt und die Genausstattung einer extremen „Nachteule“ mit dem einer Person vom normalen Chronotyp verglichen.

Beide Probanden verbrachten dafür zwei Wochen im Schlaflabor ohne Zeitgeber für den normalen 24-Stunden Rhythmus. Wie erwartet zeigte die „Nachteule“ einen verzögerten Schlaf-Wach-Rhythmus – ihre innere Uhr tickte sozusagen etwas langsamer. Auch ihre Körpertemperatur und die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin traten verzögert auf. „Der Melatonin-Spiegel beginnt normalerweise zwischen 20 und 22 Uhr anzusteigen“, sagt Patkes Kollege Michael Young. „Bei unserer Patientin passierte das nicht vor zwei oder drei Uhr nachts.“

Genmutation bremst den Takt

Auf der Suche nach einer Ursache dafür verglichen die Wissenschaftler das Erbgut der beiden Probanden. Dabei stießen sie auf eine auffällige Punktmutation in einem Gen namens CRY1. Dieses codiert für ein Protein, das für die Aufrechterhaltung der circadianen Rhythmik eine entscheidende Rolle spielt, wie die Forscher erklären.

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Durch diese Mutation wird ein Protein produziert, das bestimmte Uhren-Gene für längere Zeit abschaltet als eigentlich vorgesehen. Die Folge: Der Takt der inneren Uhr wird verlangsamt, der Tageszyklus dauert länger. Wie Patke und ihre Kollegen berichten, ist diese Mutation dominant. Schon die veränderte Genkopie von nur einem Elternteil reicht damit aus, um die Schlafprobleme zu vererben.

Familiäre Veranlagung

Diese Vererbbarkeit bestätigte sich in Untersuchungen mit Verwandten der „Nachteule“: Fünf Familienmitglieder der Probandin besaßen ebenfalls diese Auffälligkeit in ihrem Genom – und alle hatten ein verzögertes Schlafphasensyndrom oder berichteten zumindest über andauernde Schlafprobleme.

Auch bei weiteren, in verschiedenen Gendatenbanken erfassten Familien stießen die Forscher auf ein familiär gehäuftes Auftreten dieser Genmutation und der damit verbundenen Verzögerung des Takts der inneren Uhr. Wie Patke und ihre Kollegen ermittelten, könnte einer von 75 Menschen europäischer, nicht-finnischer Abstammung von der Mutation betroffen sein.

Was kann man tun?

Und was bedeutet das nun für alle Nachteulen? Noch mache es keinen Sinn, sich auf die Mutation testen zu lassen, sagen die Forscher. „Nur weil man das Problem kennt, kann man es noch lange nicht lösen“, so Patke. Es sei aber nicht undenkbar, mit dem nun erworbenen Wissen in Zukunft einmal Medikamente entwickeln zu können, die die innere Uhr wieder in den richtigen Takt bringen.

Bis dahin können Nachteulen versuchen, ihren inneren Taktgeber durch gezielte Strategien zumindest ein wenig zu beschleunigen: Trotz Wachheit zu geregelten Zeiten ins Bett gehen, sich den Wecker stellen oder Lichtduschen am Morgen – all diese äußeren Zeitgeber können dafür sorgen, dass sich die innere Uhr bis zu einem gewissen Grad anpasst. (Cell, 2017; doi: 10.1016/j.cell.2017.03.027)

(Cell press, 07.04.2017 – DAL/NPO)

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