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Astronomie

„Superhalos“ im frühen Kosmos

13 Milliarden Jahre alte Galaxien verblüffen durch enorme Wasserstoff-Vorräte

So könnten die frühen Galaxien aussehen: Eine gewaltige Wolke aus neutralem Wasserstoff umgibt sie. Der Quasar, mit dessen Licht der Wasserstoff aufgespürt wurde, ist als heller Punkt im Außenbereich des Halo zu sehen. © A. Angelich (NRAO/AUI/NSF)

Astronomen haben zwei frühe Galaxien mit überraschend großer Gashülle entdeckt. Die beiden 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxien besitzen riesige Halos aus neutralem Wasserstoffgas, wie Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter Array (ALMA) belegen. Dies widerspicht jedoch gängiger Annahme, nach dem solche frühen Milchstraßen-Verwandten eher mit Gas – und damit Sternenbaustoff – knapsen mussten, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Vor rund 13 Milliarden Jahren erlebten die Galaxien im noch jungen Kosmos einen ersten Schub der Sternbildung. Sie wuchsen dabei teilweise zu erstaunlich großen Sternansammlungen heran. Unklar war aber bisher, woher diese frühen Galaxien genügend Wasserstoffgas und damit Baustoff für diese rasante Sternbildung bekamen. Auch die Verteilung des Gases in diesen frühen Galaxien blieb offen.

Verräterische Spektrallinien

Jetzt haben Astronomen um Marcel Neeleman von der University of California in Santa Cruz erstmals zwei urzeitliche Milchstraßen-Verwandte direkt beobachtet – mitsamt ihrer Gashülle. Dies gelang ihnen, weil das Licht eines fernen Quasars durch die Gashülle diese rund 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxien schien. Die Spektrallinien dieses Lichts verraten, welche Elemente und damit auch Gase dort vorhanden sind.

Doch bisher gab es dabei ein Problem: Das helle Licht des Quasars überstrahlt im sichtbaren Bereich die Strahlung der Galaxien. „Stellen Sie sich ein winziges Glühwürmchen neben dem Strahl eines Suchscheinwerfers vor“, erklärt Neeleman. Dadurch ließen sich zwar die umgebenden Wolken neutralen Wasserstoffs orten, nicht aber, wo die dazu gehörenden Galaxien liegen und wie groß sie sind.

Abhilfe schafft nun die Beobachtung der beiden fernen Galaxien mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA). „Im Submillimeter-Bereich senden die Hintergrund-Quasare nur wenig Strahlung aus, was die Suche nach den Galaxien erleichtert“, so die Forscher. Anhand der Spektrallinien von Wasserstoff, ionisiertem Kohlenstoff, Silizium und Eisen im Licht der Galaxien konnten sie deren Struktur und Position bestimmen.

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Der Abstand zwischen dem Wasserstoffsignal im Quasarlicht und der mit ALMA registrierten Emission der Galaxie verrät, wie groß ihr Gas-Halo ist. © M. Neeleman

Enorme Wasserstoff-Halos

Das überraschende Ergebnis: „Wir hatten erwartet, dass wir eher schwache Emissionen direkt vor dem Quasar sehen würden“, berichtet Neelemans Kollege Xavier Prochaska. „Stattdessen sahen wir helle Galaxien in großer Entfernung vom Quasar.“ Die Wasserstoffwolken dieser Galaxien reichen demnach erstaunlich weit ins All hinaus. Bei der einen Galaxie sind es rund 137.000 Lichtjahre, bei der anderen rund 59.000 Lichtjahre, wie die Forscher berichten.

„So viel Gas so weit entfernt von der Sternbildungs-Region zu sehen bedeutet, dass es eine sehr große Menge neutralen Wasserstoffs um diese Galaxien gibt“, sagt Neeleman. Das jedoch ist überraschend, weil man bisher annahm, dass gerade die frühen Galaxien mit ihrer hohen Sternbildungsrate eher knapp mit diesem Baumaterial ausgestattet waren.

Genügend Baustoff

„ALMA hat damit eine jahrzehntealte Frage zur Galaxienbildung beantwortet“, sagt Koautor Chris Carilli vom National Radio Astronomy Observatory in Socorro. „Wir wissen nun, dass zumindest einige der sehr frühen Galaxien weitaus größere Halos besaßen als bisher angenommen.“ Schon rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall waren diese Galaxien von einem wahren „Superhalo“ aus Wasserstoffgas umgeben.

„Diese Ergebnisse liefern und faszinierende Einblicke darin, wie Galaxien ähnlich unserer Milchstraße vor 13 Milliarden Jahren aussahen“, ergänzt Prochaska. „Dies ist die Epoche, in der Galaxien ihren ersten Schub der Sternbildung erlebten – eine Art erster Blüte, bevor sie rund zwei Milliarden Jahre später den Höhepunkt der Sternbildung erreichten.“ (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aal1737)

(University of California – Santa Cruz, 24.03.2017 – NPO)

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