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Astronomie

Größte Magnetfelder des Kosmos aufgespürt

Magnetische Kollisions-Relikte erstrecken sich über Millionen von Lichtjahren

Dieses bogenförmige Kollisions-Relikt am Rand des Galaxienhaufens CIZA J2242+53 erzeugt eines der größten Magnetfelder im Kosmos. © M. Kierdorf et al./ Astronomy Astrophysics 2017

Gigantische Kollisions-Zeugen: Astronomen haben bei zwei entfernten Galaxienhaufen die bisher größten bekannten Magnetfelder des Kosmos entdeckt. Sie sind bis zu sechs Millionen Lichtjahre groß und entstanden aus den Kollisions-Schockwellen ihrer Galaxiencluster. Aufgespürt haben die Forscher diese riesigen Magnetfelder durch die ungewöhnlich stark polarisierte Radiostrahlung, die von ihnen ausgeht.

Galaxienhaufen sind die Giganten des Kosmos: Diese aus Galaxien, Gaswolken und Dunkler Materie zusammengesetzten Gebilde werden bis zu zehn Millionen Lichtjahre groß. Astronomen vermuten daher, dass viele dieser Cluster durch Kollisionen kleinerer Galaxiengruppen entstanden sind. Hinweise auf solche Kollisionen liefert oft eine ungewöhnliche Verteilung von Gas, Sternen und Dunkler Materie, aber auch Reste von gewaltigen Schockwellen.

Bei einer Kollision von Galaxienhaufen werden das heiße Gas und die Magnetfelder des Clusters komprimiert. Dadurch senden sie Strahlung im Röntgen- und Radiobereich aus und werden darin als bogenförmige Gebilde sichtbar. In rund 70 Galaxienhaufen haben Astronomen bisher solche Kollisions-Relikte nachgewiesen.

Polarisierte Radiowellen

Jetzt haben Maja Kierdorf vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und ihre Kollegen zwei wahre Giganten unter den Galaxienhaufen-Schockwellen entdeckt. Dies gelang ihnen mit dem 100-Meter-Radioteleskop von Effelsberg in der Eifel. Für ihre Studie hatten sie vier Galaxienhaufen bei Wellenlängen von drei und sechs Zentimetern beobachtet.

Dabei zeigte sich: In allen vier Galaxienhaufen existieren Zonen linear polarisierter Radiostrahlung. Dies spricht dafür, dass diese Cluster tatsächlich mindestens eine Kollision hinter sich haben. Denn bei diesen werden die Magnetfelder der Galaxienhaufen sowohl komprimiert als auch geordnet – und dadurch erscheint die von ihnen ausgehende Strahlung polarisiert.

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Sechs Millionen Lichtjahre groß

Zwei der Galaxienhaufen jedoch sind besonders groß: „Mit fünf bis sechs Millionen Lichtjahren Ausdehnung haben wir die bis jetzt größten zusammenhängenden Magnetfelder im Universum gefunden“, berichtet Kierdorf. Sie und ihre Kollegen schließen anhand der starken Polarisation von bis zu 50 Prozent auf die enorme Ausdehnung dieser Magnetfelder.

Den wurstförmigen Lichtbogen der Kollision beim Galaxienhaufen CIZA J2242+5 entdeckten Astronomen schon 2010. © Jacobs University Bremen

Bei den beiden Clustern handelt es sich um den rund 2,6 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxienhaufen CIZA J2242+53, der wegen seiner bogenförmigen Schockwelle auch den Spitznamen „Wurst“ trägt und den als „Zahnbürste“ titulierten Cluster 1RXS 06+42 in rund drei Milliarden Lichtjahren Entfernung.

Kollision mit 2.000 Kilometern pro Sekunde

Aus der Polarisation der Radiosignale konnten die Astronomen auch ermitteln, wie schnell die Kollision in diesen beiden Galaxienhaufen ablief. Denn aus dem Polarisationsgrad lässt sich die Machzahl bestimmen und damit das Verhältnis relativen Geschwindigkeit zwischen den kollidierenden Gaswolken zur Schallgeschwindigkeit.

Für die beiden Galaxienhaufen ermittelten die Forscher Machzahlen von etwa zwei. Das bedeutet, dass in diesen Clustern Gase und Galaxien mit Geschwindigkeiten von etwa 2.000 Kilometern pro Sekunde aufeinandergetroffen sind. Dies sei deutlich mehr als aus früheren Messungen der Röntgenstrahlung abgeleitet, sagen Kierdorf und ihre Kollegen.

„Das Effelsberger Radioteleskop hat sich erneut als ideales Instrument zum Nachweis von Magnetfeldern im Universum erwiesen“, betont Kierdorfs Kollege Rainer Beck. „Nun können wir Galaxienhaufen mithilfe der Radio-Polarisation systematisch nach geordneten Magnetfeldern absuchen.“ (Astronomy & Astrophysics, 2017; doi: 10.1051/0004-6361/201629570)

(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, 23.03.2017 – NPO)

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