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Ozeane: Rätsel des Tiefenwassers gelöst?

Turbulenz-Hotspots an Unterseebergen wirken wie ein Fahrstuhl für das kalte Tiefenwasser

Die Strömungen warmen und kalten Wassers in den Meeren bilden ein erdumspannendes Förderband © NASA/GSFC, Scientific Visualization Studio

Turbulente Lösung: Forscher haben ein wichtiges Puzzlestück im großen Rätsel der Meeresströmungen gefunden. Demnach spielen Unterseeberge und Klippen eine entscheidende Rolle dafür, dass kaltes, schweres Tiefenwasser wieder an die Meeresoberfläche gelangt – und dies schneller als bisher gedacht. Damit könnte auch gespeichertes CO2 schneller wieder nach oben kommen als bisher angenommen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.

In den Weltmeeren ist ein gewaltiges Strömungssystem aktiv. Es leitet warmes Wasser von der Äquatorregion nach Norden und Süden und kaltes Wasser wieder zurück. Angetrieben wird dieses System unter anderem von ozeanischen „Umwälzpumpen“ – Meeresgebieten im Nordatlantik und im Südpolarmeer, in denen das Oberflächenwasser abkühlt und in die Tiefe absinkt.

„Die in den Polarregionen absinkende Wassermenge wird auf 10 Millionen Kubikmeter pro Sekunde geschätzt – das entspricht dem 50-fachen Wasserdurchfluss des Amazonas“, erklärt Koautor Raffaele Ferrari vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Einmal bis zum Meeresgrund abgesunken, bewegt sich das kalte, dichtere Tiefenwasser von dort aus mit Strömungen wieder in Richtung der Tropen.

Rätsel um das Tiefenwasser

Doch genau hier beginnt das große Rätsel: Wie dieses Tiefenwasser wieder an die Oberfläche kommt, war bisher nur in Teilen bekannt. Denn von allein kann dieses Wasser nicht aufsteigen, es ist zu kalt und dicht. Aufwärmen kann es sich so tief unter der Meeresoberfläche aber auch nicht. Es ist daher auf Auftriebsströmungen wie vor der Westküste Südamerikas angewiesen. Davon jedoch gibt es zu wenig, um die Ozeanzirkulation in vollem Maße aufrecht zu erhalten.

Weltweite Ozeanzirkulation © CC-by-sa 3.0

Jetzt jedoch könnten Ferrari, Erstautor Ali Mashayek vom MIT und weitere Forscher das Rätsel des Tiefenwassers gelöst haben. Für ihre Studie haben sie den Weg des Meerwassers mit einer Markierungssubstanz verfolgt. Diesen Tracer setzten sie 2009 im antarktischen Zirkumpolarstrom rund 1.500 Kilometer westlich der Südspitze Südamerikas in 1.500 Meter Wassertiefe frei.

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Über die folgenden Jahre hinweg registrierten sie die Ausbreitung und Drift des Tracers und konnten so beobachten, welche Rolle die Topografie des Meeresbodens für die Bewegungen des Tiefenwassers spielt.

An Untersee-Bergen hochgerissen

Dabei zeigte sich: Dort, wo der Meeresgrund eher flach und strukturarm war, strömte das Tiefenwasser weitgehend isoliert durch den Ozean und mischte sich kaum mit dem Wasser darüber liegender Schichten. Doch als der Tracer das Gebiet um Feuerland erreichte, änderte sich dies plötzlich drastisch: „Der Tracer begann nun, sich schnell auch in der Vertikalen auszubreiten“, berichtet Ferrari.

Der Grund dafür: In diesem Meeresgebiet ragen Seamounts und unterseeische Rücken über dem Grund auf. Das Terrain am Meeresboden wird zerklüfteter. Und genau diese Topografie wirkt für das kalte Tiefenwasser wie ein gewaltiger Mixer, so die Forscher.

Seamounts können mehrere tausend Meter hoch sein. Diese Riesen liegen jedoch verborgen in den Tiefen der Meere. © NOAA/ Okeanos Explorer

Von Turbulenzen aufgemischt

Wie eine begleitende Modellsimulation enthüllte, wird das Tiefenwasser zwischen den steilen Hängen der Unterwasserberge und Rücken zunächst wie in einer Falle gefangen. Gleichzeitig jedoch bilden sich zwischen den hochaufragenden Formationen starke Turbulenzen – ähnlich wie bei Winden zwischen Hochhäusern. „In der Tiefsee gibt es bis zu 4.000 Meter hohe Berge und sehr tiefe Schluchten – und diese topografischen Strukturen erzeugen Turbulenzen“, erklärt Ferrari.

Diese Turbulenzen wiederum durchmischen die normalerweise getrennten Wasserschichten und können große Mengen kalten Tiefenwassers in die Höhe reißen. „Die durch diese Durchmischung entstehenden Aufströme sind global gesehen relevant“, sagt Mashayek. Selbst wenn nur einige wenige solcher Zone gäbe, könnte dies erklären, wie das Tiefenwasser wieder zurück an die Oberfläche gelangt.

Wichtig für Klima und Kohlenstoffkreislauf

Gleichzeitig könnte die die Entdeckung auch bisherige Vorstellungen zum zeitlichen Ablauf der Zirkulation verändern. „Der gängigen Lehrmeinung nach benötigt dieses Tiefenwasser tausende von Jahren, um wieder nach oben zu gelangen“, sagt Mashayek. „Doch wenn es entlang von Unterseerücken, Kontinentalrändern und anderen Formationen in großem Maße aufgewirbelt wird, könnte seine Verweildauer in der Tiefe deutlich kürzer sein.“

Das wiederum hätte Konsequenzen unter anderem für den globalen Klima- und Kohlenstoffkreislauf, denn ein großer Teil des irdischen CO2 wird vom Tiefenwasser gespeichert. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms14197)

(Massachusetts Institute of Technology, 07.03.2017 – NPO)

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