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Geowissen

„Quarz“ im Erdkern?

Im äußeren Erdkern könnte neben Eisen auch Siliziumdioxid auskristallisieren

Statt Legierungen mit dem flüssigen Eisen zu bilden, könnten Silizium und Sauerstoff im äußeren Erdkern miteinander reagieren. © Kelvinsong/ CC-by-sa 3.0

Überraschung im Erdkern: Die leichteren Elemente im äußerern Erdkern verhalten sich möglicherweise ganz anders als erwartet. Statt Eisenlegierungen zu bilden, könnten Silizium und Sauerstoff miteinander reagieren und zu Siliziumdioxid auskristallisieren – der Verbindung, aus der Quarzsand besteht. Sollte sich dieses Ergebnis von Hochdruck-Experimenten bestätigen, könnte diese Kristallisation sogar eine Triebkraft für den Geodynamo sein, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Der Erdkern bildet die Basis für das schützende Magnetfeld der Erde und damit letztlich für das irdische Leben. Denn ohne die Wechselwirkung des inneren, festen mit dem äußeren flüssigen Kern gäbe es das Erdmagnetfeld nicht. Doch wann genau der innere Erdkern erstarrte und woraus er neben Eisen noch besteht, ist bisher umstritten beziehungsweise schlicht unbekannt.

Mehr als nur Eisen

„Der Erdkern besteht zum größten Teil aus Eisen und ein wenig Nickel, enthält aber auch rund zehn Prozent leichtere Elemente wie Silizium, Sauerstoff, Schwefel, Kohlenstoff, Wasserstoff und weitere“, erklärt Kei Hirose vom Institut für Technologie in Tokio. „Wir vermuten, dass mehrere dieser Elemente gleichzeitig vorhanden sind, aber wir wissen nicht, in welchen Anteilen.“

Um mehr darüber herauszufinden, haben Hirose und seine Kollegen im Labor nun Proben von Eisen, Silizium und Sauerstoff den Bedingungen ausgesetzt, wie sie auch im Erdkern herrschen. Ein Laser erhitzte dafür die Proben auf bis zu 4.500 Grad und eine Diamantstempelpresse setzte sie einem Druck von bis zu 145 Gigapascal aus. Die Forscher wollten so beobachten, welche Legierungen entstehen.

Siliziumdioxid statt Eisenlegierung

„In der Vergangenheit hat sich die Forschung zu Legierungen im Erdkern meist auf Legierungen aus Eisen mit einem weiteren Element konzentriert“, sagt Hirose. „Aber wir haben uns entschieden, in unseren Elementen Legierungen mit zwei zusätzlichen Elementen zu testen, von denen wir glauben, dass sie beide im Erdkern vorkommen.“

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Eine Diamantstempel-Presse setzte die Proben unter Hochdruck. © Tokyo Institute of Technology

Zur Überraschung der Forscher bildeten sich in der Probe keine Eisenlegierungen, sondern es entstand Siliziumdioxid – die Verbindung, aus der beispielsweise Quarzsand besteht. Sobald die Probe eine bestimmte Temperatur unterschritt, kristallisierten Siliziumdioxid-Kristalle aus, das Eisen blieb zurück.

Kristallschicht an der Kerngrenze

Sollte dieser Kristallisationsprozess auch im äußeren Erdkern ablaufen, dann hätte dies einige spannende Konsequenzen. Die erste: „Dies gibt uns Hinweise darauf, wie groß die Konzentration von Silizium und Sauerstoff im Erdkern ist“, erklärt Hiroses Kollege George Helffrich. Denn die Bildung von Siliziumdioxid erfordert bestimmte Mengenverhältnisse. Zudem kann der äußere Kern nicht mehr Silizium und Sauerstoff enthalten, als es die Sättigungsgrenze von Siliziumdioxid erlaubt.

Zum anderen könnte dies bedeuten, dass sich die Zusammensetzung des äußeren Erdkerns im Laufe der Erdgeschichte langsam verändert: Je mehr der Planet abkühlt, desto mehr Siliziumdioxid kristallisiert an der Grenze zum Erdmantel aus. „Eine Abkühlung um 100 Kelvin würde unserem thermodynamischen Modell nach zu einer rund zwei Kilometer dicken Schicht aus reinem Siliziumdioxid an der Kern-Mantel-Grenze führen“, berichten die Forscher. Dies wiederum verringert die Konzentrationen dieser Elemente im äußeren Erdkern.

Triebkraft für den Geodynamo?

Noch viel spannender aber sind die möglichen Auswirkungen dieser Kristallisation auf den Wärme- und Energiehaushalt des Erdkerns: „Wenn die Kristallisation in geringerer Tiefe beginnt, sammelt sich das SiO2 an der Oberseite des Kerns, die dichtere Restflüssigkeit mit weniger Silizium und Sauerstoff sinkt dagegen in den tiefen Kern ab“, erklären die Forscher. Dadurch entstehen Strömungen im äußeren Erdkern – und damit die Konvektion, die den Geodynamo antreibt.

Gleichzeitig könnte dies auch die Frage klären, woher die Energie für diesen Dynamo und damit das Erdmagnetfeld bei der frühen Erde kam, wie die Wissenschaftler erklären. „Unsere Berechnungen zeigen, dass die Kristallisation von Siliziumdioxid eine immense Energiequelle für das Magnetfeld gewesen sein könnte“, so Hirose.

Selbst wenn der innere Erdkern später erstarrte als es einige Geoforscher annehmen, könnte allein die durch das Auskristallisieren verursachte Konvektion ausgereicht haben, um den Geodynamo anzuwerfen, wie Hirose und seine Kollegen erklären. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature21367)

(Nature / Tokyo Institute of Technology, 27.02.2017 – NPO)

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