Erstaunlich gut konserviert: Forscher haben ein weiteres Geheimnis der Eismumie „Ötzi“ gelüftet. Erstmals gelang es ihnen, Mikro-RNA aus verschiedenen Geweben des Eismannes zu isolieren. Diese kleinen Biomoleküle dienen als wichtige Schalter der Genaktivität und können daher verraten, welche Gene damals bei Ötzi abgelesen wurden. Der Nachweis der mikro-RNA in der Eismumie belegt zudem erstmals, dass diese Genschalter selbst Jahrtausende überdauern können.
Die rund 5.300 Jahre alte Eismumie „Ötzi“ ist wahrscheinlich der berühmteste prähistorische Europäer überhaupt – und der am besten untersuchte. Forscher kennen seine Blutgruppe und Augenfarbe, wissen, dass er keine Milch vertrug war und unter schlechten Zähnen und einem Magengeschwür litt.
Jetzt ist es Andreas Keller von der Universität des Saarlandes und seinen Kollegen von EURAC Research in Bozen gelungen, weitere wertvolle Zeugen für Ötzis Gesundheit und Lebensweise zu gewinnen: seine Mikro-RNA. Dabei handelt es sich um kleine Ribonukleinsäurestücke, die eine Vielzahl von zellulären Prozessen kontrollieren. Sie beeinflussen, welche Gene abgelesen werden und können so entscheidende Weichen im Organismus stellen.
Fahndung im Eismann-Gewebe
Bisher war unklar, wie lange Mikro-RNAs erhalten bleiben und ob sie beispielsweise bei einer Mumifizierung selbst Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende überstehen können. Keller und seine Kollegen fahndeten deshalb in Proben aus der Haut, den Muskeln, dem Magen und dem Mageninhalt des Ötzi nach diesen RNA-Schnipseln.
„Es war eine Herausforderung, dieses genetische Material in nennenswerten Mengen und ausreichender Qualität aus den mumifizierten Gewebeproben zu extrahieren und es mit neuen, sehr exakten Methoden zu messen und zu quantifizieren“, berichtet Stephanie Kreis von der Universität Luxemburg.
5.300 Jahre lang erhalten
Und tatsächlich: „Unsere Untersuchung liefert den Beweis, dass wir Mirko-RNA sogar noch nach mehreren tausend Jahren analysieren können“, berichtet Keller. Die Forscher wiesen mehr als 1.000 Mikro-RNAs nach, davon viele, die mit den bei heutigen Menschen in Geweben gefundenen übereinstimmen. Andere ließen sich nur in Ötzis Proben nachweisen, sind aber heute unbekannt.
Die genauere Analyse von Ötzis Mikro-RNA kann den Forschern nun weitere wertvolle Informationen über die körperlichen Eigenheiten und Gesundheit von Ötzi und seinen Zeitgenossen liefern. Denn mehr noch als nur die Gene verraten diese Molekülschnipsel, welche Genbaupläne auch tatsächlich im Eismann aktiv waren oder abgeschaltet wurden. „Es ist offensichtlich, dass das Potenzial von Mikro-RNA viel größer ist, als wir bisher gedacht haben“, sagt Keller. (Molecular Biology & Evolution, 2017; doi: 10.1093/molbev/msw291)
(Universität des Saarlandes, 17.02.2017 – NPO)