Zaubererhut im Mikromaßstab: Forscher haben eine neuentdeckte Amöbenart nach dem Zauberer Gandalf aus „Herr der Ringe“ benannt. Der Grund: Die Schutzpanzerung der Schalenamöbe ist ähnlich geformt wie Gandalfs Hut – eine weltweit einzigartige Form, wie die Biologen berichten. Der Einzeller ist zudem für eine Schalenamöbe ungewöhnlich groß. Die neue Art Arcella gandalfi wurde im Plankton von brasilianischen Gewässern entdeckt.
Amöben gehören normalerweise nicht gerade zu den Stars im Organismenreich. Die winzigen Einzeller mit den lappigen Auswüchsen sind vielen Menschen allenfalls als Erreger der Amöbenruhr bekannt. Dabei haben die Amöben einige faszinierende Eigenheiten zu bieten. So bilden beispielsweise die Schleimpilz-Amöben komplexe soziale Formationen, sie halten „Haustiere“ und betrügen sogar. Andere Amöben bildeten schon vor 220 Millionen Jahren Lebensgemeinschaften mit Wimperntierchen.
Ungewöhnlich groß
Weil Amöben mikroskopisch klein sind, entgehen sie oft selbst der Aufmerksamkeit von Forschern, obwohl diese Einzeller nahezu weltweit verbreitet sind. „Neue Amöbenarten werden daher nur sehr selten entdeckt“, erklärt Daniel Lahr vom Bioforschungsinstitut IB-USP in Sao Paolo. Und selbst wenn man eine möglicherweise unbekannte Art findet, lassen sich ihre Merkmale oft erst durch aufwändige Laboranalysen bestimmen.
Im Fall der jetzt entdeckten Amöbenart aber reichte fast schon ein Blick durch das Mikroskop. Denn der aus Gewässern in Rio de Janeiro und Amapa isolierte Einzeller trägt eine einzigartige Schale: Sie ist gelblich-braun und 81 bis 71 Mikrometer hoch – schon dies ist außergewöhnlich. Die meisten anderen bekannten Schalenamöben sind weniger als halb so groß, wie die Forscher berichten.
Geformt wie Gandalfs Hut
Noch ungewöhnlicher aber ist die Form der Schalenamöbe: Ihr aus schuppenförmigen Silikatplatten bestehender Schutzpanzer ähnelt dem spitzen Hut eines Zauberers. Konkret erinnerte er die Biologen an den Hut, den der Zauberer Gandalf in der Verfilmung des Buches „Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien trug.
Aus diesem Grund tauften die Forscher die neue Amöbenart „Arcella gandalfi“. Ihren Angaben nach ist keine andere Amöbenart weltweit bekannt, die dieser Gandalf-Amöbe ähnlich sieht. „Das ist schon erstaunlich: Obwohl dieses Wesen nur aus einer einzigen Zelle besteht, ist es dazu fähig, diesen schlotförmigen Panzer zu bilden“, sagt Lahr.
Funktion der Schale strittig
Warum die Gandalf-Amöbe und andere Thekamöben überhaupt Panzer bilden, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Einige vermuten, dass die harte Schale dem Schutz vor Fressfeinden dient. Lahr hält dies jedoch für eher unwahrscheinlich: „Wir finden sehr oft Amöbenpanzer, die von Wimperntierchen verdaut werden“, sagt er. Das spreche nicht gerade dafür, dass die Schalen ein guter Schutz gegen das Gefressenwerden sind.
Plausibler sei dagegen, dass der Panzer die Amöben vor dem Austrocknen schützt. „Durch ihre Schale können die Amöben im Inneren eine kleine Menge Wasser speichern und eine feuchte Mikroumwelt schaffen – selbst wenn es draußen trocken ist“, erklärt Lahr. Möglich wäre auch, dass die Schalenamöben sich mit ihrem Panzer vor schädlicher UV-Strahlung abschirmen. (Acta Protozoologica, 2017; doi: 10.4467/16890027AP.16.021.6008)
(Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo, 10.02.2017 – NPO)