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Astronomie

Rätsel um kosmische Expansion geht weiter

Neue Messung liefert erneut abweichenden Wert für die Hubble-Konstante

Anhand solcher von Gravitationslinsen verzerrten und vervielfältigten Quasare haben Astronomen die Expansion des Universums berechnet. © ESA/Hubble, NASA, Suyu et al.

Rätselhafte Diskrepanz: Der wahre Wert für die Ausdehnung des Universums bleibt weiterhin unklar. Denn eine Messung auf Basis von Gravitationslinsen kommt nun erneut zu einem deutlich höheren Wert als der Planck-Satellit. Für die Hubble-Konstante und damit das Tempo der kosmischen Expansion stehen damit noch immer zwei ganz unterschiedliche Werte im Raum – möglicherweise ein Hinweis auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells der Kosmologie.

Die Expansion des Universums hat sich in den letzten Milliarden Jahren beschleunigt – so viel scheint klar. Astronomen vermuten dahinter das Wirken der noch immer mysteriösen Dunklen Energie. Doch wie hoch die Hubble-Konstante und damit das Tempo der Expansion tatsächlich ist, darüber herrscht heute mehr Unklarheit denn je.

Klare Diskrepanzen

Auf einer Seite stehen die Daten des Planck-Satelliten. Aus seiner Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung ergibt sich eine Hubble-Konstante von 67,15 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (km/s/Mpc). Demgegenüber stehen Ergebnisse mehrerer jüngster Studien, die anhand von Supernovae, veränderlichen Sternen und Galaxien auf Werte von über 70 km/s/Mpc kamen – ein Indiz für eine deutlich schnellere Expansion.

Doch welche Messungen stimmen? Die Hubble-Konstante bildet eine wichtige Basis für unser kosmologisches und auch physikalisches Standardmodell. Sie genau zu kennen ist daher entscheidend. „Die Hubble-Konstante kann bestätigen oder aber widerlegen, ob unser Bild des Universums korrekt ist oder ob wir etwas Fundamentales übersehen“, erklärt Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und Leiterin der H0LiCOW Collaboration.

Weil das von der Gravitationslinse verzerrte Licht des Quasars verschieden lange Wege zurücklegt, kann man daraus auf die Hubble-Konstante schließen. © NASA/ESA, Hubble

Gravitationslinsen als Messhilfe

Eine weitere, unabhängige Messung der Hubble-Konstante haben nun Suyu und ihre Kollegen durchgeführt. Sie nutzten das Hubble-Weltraumteleskop sowie eine Reihe erdbasierter Teleskope, um die Expansion des Universums mit Hilfe des Gravitationslinsen-Effekts auf Quasare zu bestimmen. Bei diesem von Einsteins Relativitätstheorie beschriebenen Effekt führt die enorme Schwerkraft großer Galaxien im Vordergrund dazu, dass Licht ferner Quasare gekrümmt wird.

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Als Folge entstehen mehrere Abbilder des Quasars, deren Licht unterschiedlich lange Strecken zurückgelegt hat. Dies führt dazu, dass das charakteristische Flackern des Quasarlichts in diesen Mehrfachbildern zeitlich versetzt zu sehen ist. Daraus wiederum lässt sich die Hubble-Konstante ermitteln.

Widerspruch zu Planck-Daten bleibt

„Die Methode ist der einfachste und direkteste Weg die Hubble-Konstante zu bestimmen, weil nur Geometrie und die Allgemeine Relativitätstheorie mitspielen, keine anderen Annahmen“, erklärt Frédéric Courbin von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL). Im Gegensatz dazu geht der auf den Planck-Daten basierende Wert von der Annahme aus, dass das Universum flach ist.

Die von H0LiCOW und durch Cepheiden und Supernovae ermittelten Werte für die Hubble-Konstante liegen höher als die aus der Hintergrundstrahlung ermittelten. © H0LiCOW

Auf Basis dreier solcher Gravitationslinsen haben die H0LiCOW-Forscher nun die Hubble-Konstante neu bestimmt – mit der hohen Genauigkeit von 3,8 Prozent. Ihr Ergebnis: Das Universum dehnt sich mit 71,9 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec aus. Dieser Wert stimmt damit recht gut mit den auf lokalen Supernovae und Cepheiden basierenden Messungen überein, ist aber ebenfalls erheblich höher als die Werte des Planck-Satelliten.

Hinweis auf neue Physik?

„Die Diskrepanzen zwischen den lokalen und den auf der Hintergrundstrahlung basierenden Messungen der Hubble-Konstante werden durch diese neuen Ergebnisse bestätigt und gestärkt“, sagt Courbin. „Diese Spannungen könnten durch neue Physik jenseits des Standardmodells der Kosmologie verursacht werden, beispielsweise neuen Formen der Dunklen Energie.“

Noch ist aber auch nicht auszuschließen, dass die Unterschiede durch weitere Messungen schrumpfen oder verschwinden – ähnlich wie statistische Fluktuationen. „Wenn wir noch immer etwas sehen, wenn die Fehlerbalken weiter schrumpfen, dann könnte dies auf neue Physik hindeuten“, sagt Chris Fassnacht von der University of California in Davis.

Um ihre Ergebnisse noch verlässlicher zu machen, wollen die H0LiCOW-Forscher ihre Studie fortführen und bis zu 100 durch Gravitationslinsen verzerrte Quasare vermessen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2017)

(ESA/Hubble, Subaru Telescope, University of California – Davis, H0LiCOW, 27.01.2017 – NPO)

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