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Archäologie

Amerika: Besiedelung schon 10.000 Jahre früher?

Ritzspuren auf 24.000 Jahre alten Knochen sprechen für überraschend frühe Präsenz des Menschen

Schnittspuren an einem Knochenstück aus einem rund 24.000 Jahre alten Pferdekiefer. Er wurde in Alaska entdeckt. © Bourgeon et al. / PLOS ONE, CC-by-sa 4.0

Spannender Fund: Die Vorfahren der Indianer könnten Amerika fast zehntausend Jahre früher erreicht haben als bisher gedacht. Hinweise darauf liefern nun bis zu 24.000 Jahre alte Klingenspuren an Tierknochen. Diese wurden in einer Höhle im Norden Alaskas entdeckt – und damit auf Höhe der ehemaligen Landbrücke über die Beringstraße. Dort herrschte selbst während der Eiszeit ein milderes Klima, das den frühen Einwanderern das Überleben ermöglichte, wie die Forscher im Fachmagazin „PLoS ONE“ berichten.

Klar ist: Die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner wanderten aus Asien nach Nordamerika ein – wahrscheinlich über die damals noch existierende Landbrücke über die Bering-See. Wann diese erste Besiedlung stattfand, ist jedoch strittig. Archäologische Funde in Florida und in Argentinien belegen, dass es schon vor mindestens 14.500 Jahren Menschen auf dem amerikanischen Kontinent gab. Doch der eisfreie Korridor von der Beringstraße ins Innere Nordamerikas war erst vor rund 12.500 Jahren passierbar. Möglicherweise zogen die ersten Indianervorfahren daher entlang der Westküste Amerikas nach Süden.

Massenhaft Tierknochen

Jetzt liefern Funde aus Alaska weitere überraschende Informationen. Laurianne Bourgeon von der Universität Montreal und ihre Kollegen haben im Laufe der letzten zwei Jahre mehr als 36.000 Fragmente fossiler Tierknochen untersucht, die bereits vor gut 40 Jahren in den Bluefish Caves im Norden Yukons entdeckt wurden.

Erste Datierungen ließen damals vermuten, dass diese Tierknochen bis zu 30.000 Jahre alt sein könnten. Weil in der Nähe der Knochen auch einige Fragmente von Steinklingen gefunden wurden, vermuteten einige Forscher, dass zumindest ein Teil dieser Tiere von frühen Menschen getötet und zerlegt worden sein könnten – eine Ansicht, die damals von der Mehrheit der Archäologen nicht geteilt wurde.

„Unzweifelhaft von Menschen gemacht“

Um zu klären, ob die Tiere der Bluefish Caves durch Menschen oder doch allein durch natürliche Feinde und Umstände zu Tode kamen, suchten Bourgeon und ihre Kollegen alle Knochen akribisch nach Spuren menschlicher Bearbeitung ab. Als typisch dafür gelten vor allem Ritzungen, wie sie von Steinklingen beim Entbeinen der Jagdbeute verursacht werden.

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Ritzspuren auf einem gut 20.000 Jahre alten Karibuknochen © Bourgeon et al./ PLSO ONE, CC-by-sa 4.0

Und tatsächlich: Bei 15 Knochenfragmenten entdeckten die Wissenschaftler Klingenspuren: „Diese Reihen von geraden, V-förmigen Ritzungen auf der Oberfläche der Knochen wurden von Steinwerkzeugen verursacht, wie sie zum Häuten von Tieren verwendet wurden“, sagt Bourgeons Kollegin Ariane Burke. „Diese Spuren wurden unzweifelhaft von Menschen gemacht.“ Weitere 20 Relikte tragen mögliche Spuren menschlicher Bearbeitung.

Bewohnt schon vor 24.000 Jahren

Um das Alter der bearbeiteten Knochen zu bestimmen, unterzogen die Forscher sie einer Radiokarbondatierung. Das Ergebnis: Die ältesten Fragmente, darunter ein Stück vom Kieferknochen eines Wildpferds und der Beckenknochen eines Karibus, sind bereits 22.000 bis 24.000 Jahre alt. „Damit sind die Bluefish Caves die älteste bekannte archäologische Fundstätte Nordamerikas“, konstatieren die Wissenschaftler.

Wurden die Tiere damals tatsächlich von menschlichen Jägern erlegt, dann muss es schon auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit Menschen in Nordamerika gegeben haben – fast zehntausend Jahre früher als bisher angenommen. Damals jedoch überdeckten dicke Eispanzer das gesamte Innere Nordamerikas. Doch im äußersten Norden, am Übergang zur Bering-Landbrücke, gab es wahrscheinlich selbst auf dem Höhepunkt der Eiszeit eisfreie Gebiete, wie die Forscher erklären.

Die Beringstraße vor 28.000 bis 18.000 Jahren: ein weites Land © Wlliam Manley/ University of Colorado

Refugium auf der Landbrücke?

Tatsächlich deuteten schon vor einigen Jahren Pollenfunde in Sedimentbohrkernen darauf hin, dass damals auf der Landbrücke sogar ein vergleichsweise mildes Klima herrschte. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler könnten die Vorfahren der Indianer dort einige Jahrtausende lang gesiedelt und die Eiszeit „überwintert“ haben, bevor sie nach Amerika weiterzogen. Auch Genanalysen sprechen für eine solche „Pause“ in der Besiedelung Amerikas.

Die aktuellen Funde aus den Bluefish Caves würden gut zu dieser Hypothese passen. Die Bluefish Caves könnten zu der Region gehört haben sein, die für Jäger von der Bering-Landbrücke aus zumindest zeitweise zugänglich war. „Unsere Entdeckung bestätigt die Hypothese von der Beringia-Pause“, sagt Burke. „Sie zeigt, dass der Osten Beringias während der letzten Eiszeit bewohnt war.“

Stimmt dieses Szenario, dann begann die Besiedlung Amerikas deutlich früher als bisher angenommen – bestand aber zunächst aus kaum mehr als sporadischen Jagdausflügen auf das Festland des neuen Kontinents. Dauerhaft besiedelten die Vorfahren der Indianer Amerika dann erst, als das Eis sich zurückzog und der Weg nach Süden frei wurde. (PloS ONE, 2017, doi: 10.1371/journal.pone.0169486)

(University of Montreal, 18.01.2017 – NPO)

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