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Biologie

Schlangen: Rasanter Todes-Biss

Forschern gelingen erstmals Highspeed-Aufnahmen in der freien Natur

Rasanter Vorstoß: Schlangen greifen schneller an als viele Säugetiere reagieren können. © Higham lab/ UC Riverside

Temporeicher Angriff: Schlangen beißen oft so schnell zu, dass ihre Beute kaum eine Chance hat. Forschern ist es nun zum ersten Mal gelungen, diese rasanten Angriffe mit Highspeed-Kameras in der freien Natur zu filmen. Ihre Aufnahmen von Klapperschlangen bei der Jagd auf Kängururatten zeigen: Die Vipern sind mitunter noch schneller als gedacht – aber trotzdem nicht immer erfolgreich.

Im Tierreich kommt es oft auf das richtige Timing an. Wer als Jäger Erfolg haben will, muss seiner Beute möglichst unbemerkt auflauern und dann im perfekten Moment zuschlagen. Je schneller der Angriff, desto schlechter stehen dabei meist die Überlebenschancen für die Beute. Denn Zeit zu reagieren bleibt dann kaum noch.

Schlangen haben diese Strategie perfektioniert. Wenn sie zubeißen, erreichen sie ein Tempo, das die Reaktionszeit der meisten Säugetiere bei weitem übertrifft: Sowohl giftige Vipern als auch ungiftige Nattern kommen dabei im Durchschnitt auf Geschwindigkeiten von rund 2,1 bis 3,5 Meter pro Sekunde und erwischen ihre Beute innerhalb von 50 bis 90 Millisekunden, wie Laborstudien erst kürzlich enthüllten.

Nächtliche Jagd auf Nager

Doch wie verhält es sich in der freien Natur? „Jäger und Beute entwickeln sich im Umfeld ihres natürlichen Lebensraums. Es ist deshalb wichtig, sie in dieser Umgebung zu beobachten, bevor wir zu viele Rückschlüsse aus Laborversuchen ziehen“, sagt Timothy Higham von der University of California in Riverside. Womöglich verhalten sich die Schlangen in der Wildnis anders – oder ihre Beute hat in der Natur bessere Möglichkeiten, den Angreifer frühzeitig zu entdecken.

Um das zu überprüfen, haben Higham und seine Kollegen Mojave-Klapperschlangen (Crotalus scutulatus) in ihrem natürlichen Lebensraum aufgespürt und sie bei der nächtlichen Jagd auf Merriam-Kängururatten (Dipodomys merriami) gefilmt. Zum ersten Mal überhaupt gelang es ihnen dabei, die Attacken von Vipern in der freien Wildbahn mithilfe von Infrarot-Highspeed-Kameras festzuhalten.

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Ausgestattet mit Infrarot-Highspeed-Kameras warteten die Forscher auf nächtliche Angriffe der Schlangen – und filmten einzigartige Szenen.© Higham lab/ UC Riverside

Beeindruckendes Tempo

Das Ergebnis: Tatsächlich kann die Geschwindigkeit beim Zuschlagen die im Labor gemessenen Werte mitunter noch übersteigen. Während ein Vorstoß und Biss den bisherigen Messungen zufolge in der Regel etwas unter 84 Millisekunden dauerte, beobachteten die Forscher nun sogar nur 78 Millisekunden lange Angriffe.

Auch in Sachen Beschleunigung zeigten sich die Mojave-Klapperschlangen in Topform: Sie erreichten dabei im Schnitt Maximalwerte von 362 Meter pro Sekunde im Quadrat (m/s2). Das ist deutlich mehr als die durchschnittliche Maximalbeschleunigung von 279 m/s2, die Wissenschaftler jüngst im Labor für die in Texas heimischen Verwandten (Crotalus atrox) der Art maßen – allerdings etwas weniger als Ergebnisse mit derselben Art aus einer anderen Studie.

Gekonnte Fluchtmanöver

Trotz des hohen Tempos waren die Angriffe der Schlangen jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt. Manchmal war der Vorstoß der Jäger schlicht nicht präzise genug, sodass sie ihre Beute verfehlten. In anderen Fällen retteten sich die Kängururatten hingegen durch erstaunliche Fluchtmanöver: Sie katapultierten sich mit einem gekonnten Sprung in die Höhe und waren bereits nach 24 bis 30 Millisekunden aus der Schusslinie.

Wie Higham und seine Kollegen vermuten, gelingt den Nagern die Flucht womöglich deshalb, weil sie die Schlange anhand kaum spürbarer Bodenvibrationen schon vor dem eigentlichen Vorstoß bemerken. Hinzu kommt: Die Tiere können extrem schnell und weit springen – dank eines Tricks. „Das Prinzip heißt elastischer Energiespeicher und funktioniert wie bei einer Steinschleuder“, erklärt Higham. „Man kann sehr langsam daran ziehen, um die gesamte Energie dann schnell und mit voller Wucht zu entladen.“ Ähnlich verhalten sich die Muskeln und Sehnen der Kängururatte. Das Tier kann dadurch rasch flüchten und dem Angriff entkommen.

„Einzigartige Aufnahmen“

„Unsere Aufnahmen sind einzigartig und sie zeigen, dass die Angriffe der Schlangen nicht immer gleich ablaufen und mitunter auch von Misserfolg gekrönt sind“, schreiben die Forscher. In Zukunft wollen sie ihre Arbeit auf andere Arten von Klapperschlangen und Kängururatten ausweiten, um mehr über diese spannenden Jäger-Beute-Interaktionen in der freien Natur zu erfahren. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/srep40412)

(University of California, 16.01.2017 – DAL)

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