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Materialforschung

Forscher machen Graphen zum „Super-Schaum“

Geometrische Struktur macht Graphen ultraleicht, aber zehnfach härter als Stahl

Im neuen Material sind Graphennetze auf spezielle Weise miteinander verbunden - das macht es so stabil. © Qin et al./Science Advances 2017;3:e1601536

Die Struktur ist entscheidend: US-Forscher haben ein schwammartiges Material aus Graphen konstruiert, das zehnfach stabiler ist als Stahl – aber ultraleicht. Das Überraschende daran: Nähere Analysen enthüllten, dass die große Festigkeit dieses Schaums gar nicht vom Graphen kommt, sondern von der speziellen geometrischen Struktur des Materials. Sie ließe sich daher auch auf andere Stoffe übertrage, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

So leicht wie möglich und trotzdem stabil – für viele Anwendungen könnte so das ideale Material aussehen. Doch das zu finden, ist nicht leicht. Durch eine mit Hohlräumen durchsetzte Struktur lassen sich zwar selbst aus Metallen wie Gold oder Nickel ultraleichte Schaumstoffe herstellen. Sie sind aber meist nicht sehr stabil.

Graphen in 3D

Graphen wiederum gilt als eines der festesten Materialien überhaupt. Das nur ein Atom dicke Netz aus Kohlenstoffatomen ist hundertmal haltbarer als ein Stahlblech von gleicher Dicke – wenn man Stahl so dünn auswalzen könnte. Der Haken: Diese Stabilität auf nutzbare dreidimensionale Graphen-Materialien zu übertragen, ist bisher nur in Teilen gelungen.

Einer der Gründe dafür: Bisher blieb unklar, welche Eigenschaften ein dreidimensionaler Graphenschaum braucht, um leicht und doch stabil zu sein. Um diese Frage zu klären, haben Zhao Qin und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) nun die Struktur von Schäumen und Gittern aus Graphen näher untersucht – mit Hilfe mathematisch-physikalischer Modelle und praktischer Experimente.

Die dreidimensionale Graphenstruktur ist zehnfach fester als Stahl. © Qin et al./ Science Advances 2017;3:e1601536

Zehnfach stabiler als Stahl

Im Experiment gelang es den Forschern, einen besonders leichten und stabilen Graphenschaum herzustellen. Sie nutzen dafür 500 Blättchen des zweidimensionalen Graphengitters, die sie mit 500 kugelförmigen Platzhaltern unter Hitze und hohem Druck zu dreidimensionalen, sehr porösen Strukturen zusammenschweißten. Die Platzhalter lösten sich dabei auf, so dass an ihrer Stelle Hohlräume zurückblieben.

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Tests ergaben, dass dieser Graphen-Schaum zehnmal stabiler und zugfester ist als Stahl, obwohl er nur fünf Prozent von dessen Dichte besitzt. Die poröse Graphenstruktur hält Zugkräften von bis zu 2,7 Gigapascal stand, ohne auseinanderzureißen und widersteht einem Druck von 0,6 Gigapascal, bevor die Struktur in sich zusammensackt, wie die Forscher berichten.

Struktur entscheidender als Material

Doch als sie die Ursache dieser Stabilität genauer untersuchten, stellten die Wissenschaftler Überraschendes fest: Entscheidend ist offenbar gar nicht das Graphen selbst. Stattdessen ist für die Festigkeit in erster Linie die geometrische Struktur dieses speziellen Schaums verantwortlich. „Man kann das Graphen durch jedes beliebige Material ersetzen“, sagt Seniorautor Markus Buehler. „Die Geometrie ist der dominante Faktor.“

Die gleiche Struktur macht auch andere Materialien ähnlich stabil, hier ein Polymer im Test. © Qin et al./ Science Advances 2017;3:e1601536

Die komplexe Struktur des Schaums ähnelt vielen aneinandergepappten Hohlkugeln mit Löchern. Die spezielle Krümmung der Graphennetze und ihre Verknüpfung machen diese in der Fachsprache als Gyroid bezeichnete Form so stabil. Der Effekt ist ähnlich wie bei Papier, das zu einem Zylinder aufgerollt sehr stabil wird – nur weitaus komplexer, so die Forscher.

Die überraschendende Erkenntnis, dass diese Gyroid-Struktur hinter der Festigkeit dieses ultraleicht-Materials steckt, hat große praktische Bedeutung. Denn das heißt, dass man auch andere Materialien wie Polymere oder Metalle durch diese Form zu besonders stabilen und trotzdem leichten Strukturen machen könnte. „Das hat das Potenzial, auf viele andere Objekte und Materialien übertragen zu werden“, sagt Buehler. (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1601536)

(Massachusetts Institute of Technology, 09.01.2017 – NPO)

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