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Umwelt

Arktis: Schadstoffe belasten vor allem Eisbären

Weiße Giganten sind bis zu dreimal stärker betroffen als Robben

Eisbären sind bis zu dreimal stärker mit Umweltgiften belastet als Robben. © Public domain

Vergiftete Giganten: Eisbären in der Arktis sind besonders stark mit gefährlichen Umweltgiften belastet. Weil sie am oberen Ende der Nahrungskette stehen, reichern sich in ihrem Fettgewebe potenziell zwei- bis dreimal so viele Schadstoffe an wie im Körper von Robben. Vor allem Jungtieren könnte diese Belastung mit PCB und anderen hormonähnlich wirkenden Substanzen schaden, schreiben Forscher im Fachmagazin „Environmental Toxicology and Chemistry“.

Nahezu überall sind Menschen und Tiere potenziell schädlichen Chemikalien ausgesetzt, die aus der Umwelt in die Nahrungskette gelangen. Selbst inzwischen längst verbotene Substanzen wie das als Umwelthormon wirkende Insektenvernichtungsmittel DDT und die krebserregenden polychlorierten Biphenyle (PCB) lassen sich noch heute praktisch auf der ganzen Welt nachweisen.

So finden sich solche sehr langlebigen organischen Schadstoffe – sogenannte POPs – unter anderem in der Muttermilch des Menschen, in Fischen und Meeressäugern, in Böden und sogar im Eis der Arktis. In die entlegenen Polarregionen gelangen die Substanzen vor allem über Luft- und Meeresströmungen. Einmal angekommen, bauen sie sich dort noch langsamer ab als andernorts: „In kaltem Klima sind die POPs besonders langlebig“, schreiben Sara Villa von der University of Milano Bicocca und ihre Kollegen.

Wie groß ist die Gefahr?

Hinzu kommt: Die Substanzen sind oft gut fettlöslich und reichern sich daher bevorzugt im Fettgewebe von Organismen an. Gerade in der Arktis ernähren sich Raubtiere wie Robben und Eisbären jedoch sehr fettreich, um der Kälte trotzen zu können. Für sie stellen die POPs daher eine besonders große Gefahr dar. Doch wie belastet ist die arktische Tierwelt wirklich?

Um das zu überprüfen, hat das Team um Villa eine aufwändige Literaturrecherche durchgeführt. Die Forscher wollten wissen: Wie sehr sind die Ökosysteme in der Arktis den langlebigen Chemikalien ausgesetzt – und wie hoch ist das daraus resultierende Risiko für Lebewesen in den unterschiedlichen Gliedern der Nahrungskette?

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Grenzwert überschritten

Insgesamt sammelten die Wissenschaftler für fast alle Regionen der Arktis aktuelle Daten zu 19 unterschiedlichen Substanzen oder Stoffgruppen, lediglich für den russischen Teil der Polarregion war die Datenlage eher schlecht. Anhand dieser Zahlen schätzten sie schließlich mithilfe eines Modells die höchstmögliche Belastung – also eine Art Worst-Case-Szenario – für drei Arten ab, die eine typische Nahrungskette repräsentieren: Polardorsch (Boreogadus saida), Ringelrobbe (Pusa hispida) und Eisbär (Ursus maritimus).

Das Ergebnis: Wie zu erwarten, sind vor allem die in der Nahrungskette höher gestellten Arten belastet. Der Analyse zufolge kommen Robben auf Belastungen, die bereits den für den Menschen geltenden Grenzwert leicht überschreiten. Zwar sei dieser zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte Wert sehr konservativ gewählt, dennoch sei die Situation für die Meeressäuger zumindest potentiell bedenklich, schreiben Villa und ihre Kollegen.

Für Jungtiere könnte die Belastung besonders schlimme Folgen haben. © Environmental Toxicology and Chemistry

Eisbären sind besonders belastet

Weitaus mehr sorgen sie sich jedoch um die Eisbären, denn der Chemiecocktail gefährdet die weißen Giganten besonders stark. Die für die Tiere berechneten Belastungswerte überschreiten den Grenzwert um das Zwei- bis sogar Dreifache – und zwar bei Erwachsenen wie Jungtieren gleichermaßen.

Dem Nachwuchs könnten die Umweltgifte allerdings stärker schaden, glauben die Forscher. Weil die Substanzen oft hormonähnlich wirken, behindern sie womöglich das Wachstum und die Entwicklung der Jungen. Die Daten zeigen zudem, dass nicht nur die Gesamtbelastung aller analysierten Chemikalien bedenklich ist. Konzentrationen bestimmter Stoffe stellen bereits einzeln betrachtet eine potenzielle Gefahr dar – insbesondere für die jungen Eisbärbabys.

Die gute Nachricht

Allerdings gibt es auch gute Nachrichten: Nach den Berechnungen der Wissenschaftler geht für Eisbär und Co heute eine geringere Gefahr von den persistenten organischen Schadstoffen aus als etwa noch in den 1980er Jahren. Das hat vor allem damit zu tun, dass mit der Stockholmer Konvention im Jahr 2001 etliche der schlimmsten Giftstoffe international verboten wurden.

„Das zeigt, dass die Kontrollmaßnahmen das Risiko für die Ökosysteme effektiv reduzieren“, sagt Villas Kollege Marco Vighi. Jedoch werden immer weitere gefährliche Stoffgruppen gefunden, die neu zur Liste des Stockholmer Übereinkommens hinzugefügt werden – erst seit 2009 gehört etwa Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) dazu. Diese Chemikalie ist in der Analyse der Forscher diejenige, die einzeln betrachtet für Eisbärjungtiere am schädlichsten ist.

Auch wenn es sich bei den Ergebnissen der Studie lediglich um Schätzungen und noch dazu Worst-Case-Szenarien handele, sei das Risiko für die Tiere deutlich: „Es ist deshalb fundamental wichtig, neue Substanzen kontinuierlich zu kontrollieren und ihren Einsatz gegebenenfalls zu beschränken“, schließt das Team. (Environmental Toxicology and Chemistry, 2017; doi: 10.1002/etc.3671)

(Wiley/ Environmental Toxicology and Chemistry, 05.01.2017 – DAL)

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