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Paläontologie

Skurril: Dino-Babys verloren ihre Zähne

Limusaurus-Babys "mit Biss" wurden beim Heranwachsen offenbar zu Zahnlosen

Die Jungtiere des Limusaurus hatten noch scharfe Zähne, ihre Eltern jedoch nicht mehr. © Yu Chen

Verkehrte Welt? Eine fossile Dinofamilie überrascht Forscher mit einem verblüffenden Phänomen: Während die Babys mit scharfen Zähnen ausgestattet sind, verlieren heranwachsende Jungtiere die Kauwerkzeuge langsam wieder – und es handelt sich dabei nicht um Milchzähne. Der seltsame Zahnverlust macht aber durchaus Sinn: Der Dino-Nachwuchs fraß offenbar ganz andere Nahrung als die Erwachsenen, berichtet das Team im Fachmagazin „Current Biology“.

Dinosaurier sind nach gängiger Lehrmeinung die evolutionären Vorfahren der Vögel. Demnach stammt das heutige Federvieh von zweibeinig laufenden Dinosauriern ab, den Theropoden. Wer jedoch konkret der Vorfahre der Vögel war und ob es nicht doch eine deutlich ältere Vorform der Dinosaurier war, ist unklar und umstritten.

Eines aber lässt sich nicht leugnen: Einige dieser Dinosaurier sahen ihren mutmaßlichen Nachfahren zumindest in gewissen Merkmalen bereits ähnlich – so auch der Limusaurus. Dieser Pflanzenfresser lebte im späten Jura und besaß einen stark verkümmerten ersten Finger – möglicherweise eine Vorform der Drei Finger-Hand, die spätere Theropoden und auch heutige Vögel besitzen. Außerdem verfügte die Urzeit-Echse über einen zahnlosen Kiefer, der in einen Schnabel mündete.

Vom Baby zum Erwachsenen

Ein ganz neues Licht auf diese Dino-Spezies wirft nun ein Massengrab mit 19 Limusaurus Exemplaren, das Forscher um Shuo Wang von der Capital Normal University in Peking in China entdeckt haben. Das Besondere: Die fossilen Überreste gehören zu Limusauriern ganz unterschiedlichen Alters – vom gerade erst geschlüpften Neugeborenen, über heranwachsende Jungtiere bis hin zum Erwachsenen.

Für das Team ein wahrer Glücksfund: „Erstmals konnten wir die Entwicklung der Tiere im Detail nachvollziehen“, sagt Mitautor Josef Stiegler von der George Washington University in Washington. „Es ist sehr selten, eine solche Wachstumsstudie vom Baby zum erwachsenen Dinosaurier zu finden“, ergänzt sein Kollege James Clark.

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Nahansicht des Kopfes eines Limusaurus-Jungtiers mit Zähnen im Maul © George Washington University

Drastische anatomische Veränderung

Seltenheitswert hat auch das, was die Forscher bei der Untersuchung der Fossilien entdeckten: Während die ausgewachsenen Tiere wie erwartet einen zahnlosen Kiefer besaßen, hatte das Babyskelett kleine, scharfe Zähne. Es zeigte sich: Aus einem vollständig bezahnten Kiefer wurde mit zunehmendem Alter der Tiere nach und nach ein komplett zahnloser. Eine solche drastische anatomische Veränderung des Kiefers ist von keinem anderen Reptil bekannt.

Doch welchen Sinn hat der seltsame Zahnverlust? Die Wissenschaftler können sich dies nur mit einer Ernährungsumstellung erklären: Junge Tiere müssen andere Nahrung bevorzugt haben als die Erwachsenen und brauchten dafür entsprechendes Kauwerkzeug. Die chemische Isotopen-Zusammensetzung der gefundenen Knochen unterstützt diese Theorie. Demnach waren die Jungtiere wahrscheinlich Allesfresser, während sich die ausgewachsenen Dinos von Pflanzen ernährten.

Dino-Familie mit verschiedenen Futtervorlieben: Die Eltern fraßen Pflanzen, die Jungtiere auch Fleisch. © Yu Chen

Doppelter Vorteil

Diese Entwicklung könnte der Spezies theoretisch einen doppelten Vorteil gebracht haben: „Die Omnivorie sorgt für eine bessere Überlebensrate beim Nachwuchs, weil er nicht auf bestimmte Nahrung beschränkt ist“, schreibt das Team. „Und der Wechsel in eine andere Ernährungsnische im Alter stellt sicher, dass junge und erwachsene Tiere einer Gruppe nicht um Futter konkurrieren müssen.“

Tatsächlich kennen Forscher ein ähnliches Phänomen zum Beispiel von einigen Welsarten: Bei ihnen leben die Jungfische räuberisch, die Erwachsenen ernähren sich hingegen von winzigen Organismen am Meeresgrund. Mit diesem Wechsel bilden sich auch die Zähne der Tiere zurück – wenngleich der Prozess nicht in einem so drastischen Zahnverlust endet wie beim Limusaurus.

Einblicke in die Schnabel-Evolution?

Die Forscher glauben, dass ihre Entdeckung möglicherweise auch dazu beitragen könnte, die Evolution der Anatomie des Schnabels besser zu verstehen. Wie entwickelte sich das zahnlose Mundwerkzeug, das wir von vielen Dinosauriern und heutigen Vögeln kennen? Und was trieb bei diesen Tieren den entwicklungsgeschichtlichen Verlust der Zähne an?

„Unsere Forschung könnte von signifikanter Bedeutung für diese Fragen sein“, schreiben die Wissenschaftler. Künftig wollen sie die gefundenen Fossilien daher noch eingehender untersuchen, um die einzigartigen anatomischen Umstrukturierungen beim Limusaurus noch besser zu ergründen. (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2016.10.043)

(George Washington University/ Cell Press, 23.12.2016 – DAL)

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