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Ökologie

Verblüffende Tiefsee-Kraken entdeckt

Kopffüßer benötigen Manganknollen zur Fortpflanzung

Das ist Casper - einer der neu entdeckten Kraken, die auf Manganknollen brüten. © Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Ungewöhnliche Lebensweise: Forscher haben zwei neue Krakenarten entdeckt, die gleich doppelt überraschen. Die Tiere leben nicht nur in ungewöhnlichen Tiefen von über 4.000 Metern. Sie nutzen auch einen besonderen Ort als Brutstätte und legen ihre Eier auf Schwämme, die nur auf Manganknollen wachsen. Ein derzeit diskutierter Abbau dieser metallreichen Rohstoffe würde für die wahrscheinlich ohnehin gefährdeten Arten deshalb schwerwiegende Folgen haben.

Kraken sind bizarre Geschöpfe: Viele von ihnen sind wahre Meister der Tarnung, können Werkzeuge benutzen und gelten generell als ziemlich intelligent. Darüber hinaus paaren sich die Meeresbewohner mitunter mit beiden Geschlechtern und bebrüten ihre Eier oft jahrelang. Biologen haben nun zwei neue Arten der Kopffüßer entdeckt, die nicht weniger faszinierend sind – vor allem ihr ungewöhnlicher Lebensraum sorgte dieses Mal für eine Überraschung.

Neue Rekordhalter in Sachen Tiefe

Das Team um Autun Purser vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven fotografierte und filmte die bisher unbekannten Krakenarten auf einer Tauchexpedition vor der hawaiianischen Necker-Insel sowie im Peru-Becken im südöstlichen Pazifik. Die Aufnahmen der insgesamt 29 Tiere gelangen mit den Tauchrobotern Deep Discovery und ROV Kiel 6.000, die die Tiere in ungeahnten Tiefen aufspürten.

So beobachteten die Wissenschaftler die Kraken 4.120 bis 4.290 Meter unter der Meeresoberfläche – ein neuer Rekord. „Bis dahin waren wir davon ausgegangen, dass Kraken nur bis in eine Tiefe von 2.600 Metern vorkommen. Die jetzt entdeckten Arten aber besiedeln viel größere Tiefen“, sagt Purser. In der größten Tiefe schwamm dem Team vor Hawaii ein etwa zehn Zentimeter kleiner, nahezu durchsichtiger Krake vor die Linse – inzwischen wurde der Rekordhalter in Anlehnung an das Trickfilm-Gespenst auf den Namen Casper getauft und ist in den Sozialen Medien zum Star avanciert.

Manganknollen als Brutstätte

Doch ihre erstaunliche Vorliebe für die Tiefe ist nicht das einzige Interessante an den Kraken: Purser und seine Kollegen entdeckten zudem, dass die Tiere offenbar Manganknollen zum Überleben brauchen. Die Kopffüßer legen ihre Eier an die Stängel abgestorbener Schwämme, welche nur auf diesen metallreichen Ablagerungen wachsen.

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„Die Knollen dienten den Schwämmen als einziger Ankerpunkt auf dem sonst sehr schlammigen Untergrund. Das heißt, ohne die Manganknollen hätten die Schwämme an dieser Stelle nicht leben können und ohne Schwämme hätten die Kraken keinen Platz für ihr Gelege gefunden“, berichtet Purser. Eine solche spezifische Anpassung an ein Hartsubstrat wie die Knollen wurde bisher bei keiner anderen Krakenart beobachtet.

Besonders gefährdet

Damit aber sind die Tiere einer potenziellen Bedrohung ausgesetzt. Denn die Manganknollen und andere in der Tiefsee vorkommende metallreiche Ablagerungen gelten als vielversprechende Rohstoffquellen. Der Abbau dieser Ressourcen ist daher verlockend und wird bereits intensiv erforscht. Naturschützer warnen hingegen immer wieder vor den möglichen Folgen des Tiefseebergbaus, weil die möglichen Abbaugebiete eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt beheimaten.

Auch die neu entdeckten Krakenarten würden auf solche Eingriffe wahrscheinlich sehr empfindlich reagieren – zumal die Forscher Casper und seine Verwandten aufgrund ihrer ungewöhnlichen Lebensweise ohnehin schon als besonders gefährdet einstufen. Der Grund: Tiefseekraken legen nur sehr wenige Eier und bei besonders kalten Wassertemperaturen braucht ihr Nachwuchs zudem sehr lange für seine Entwicklung.

Forschungsergebnisse zeigen: Der Nachwuchs von Kraken, die bei einer Wassertemperatur von drei Grad Celsius laichen, schlüpft erst vier Jahre nach der Eiablage. Am Grund des Peru-Beckens aber beträgt die Wassertemperatur gerade einmal 1,5 Grad. „Wir vermuten deshalb, dass die Krakenembryos hier viele Jahre benötigen, um sich vollständig zu entwickeln“, sagt Pursers Kollegin Antje Boetius.

Forschung vor Abbau!

Störungen während dieser so wichtigen Zeit hätten mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Folgen, glauben die Forscher. Insbesondere die Abhängigkeit der Kraken von Manganknollen als Brutstätte belege, dass einem industriellen Abbau von Wertstoffen in der Tiefsee gründliche Untersuchungen zu den ökologischen Konsequenzen vorausgehen müssen.

„Unsere neuen Beobachtungen zeigen, dass wir das Verhalten und die speziellen Anpassungen von Tiefseetieren an ihren Lebensraum kennen müssen, um nachhaltige Schutz- und Nutzkonzepte aufzustellen“, schließt Boetius. (Current Biology 2016; doi: 10.1016/j.cub.2016.10.052)

(Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 21.12.2016 – DAL)

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