Anzeige
Materialforschung

Geheimnis der Stradivari gelüftet?

Vorbehandlung, Alter und Vibrationen machen Holz der berühmten Violinen einzigartig

Die Stradivari-Geige "Lady Blunt", gebaut 1721 in Cremona von Antonio Stradivari © Tarisio Auctions/ Violachick68, CC-by-sa 3.0

Klangwunder im Test: Holzanalysen der berühmten Stradivari-Geigen haben neue Geheimnisse des genialen Instrumentenbauers gelüftet. Demnach unterzog Stradivari das Holz seiner Violinen und Cellos einer ungewöhnlichen und möglicherweise geheimen mineralischen Vorbehandlung. Aber auch das jahrhundertelange Musizieren und das Alter haben dem Holz der Geigen eine ganz besondere Struktur verliehen.

Der italienische Geigenbauer Antonio Stradivari schuf Violinen, deren Klang seit rund 300 Jahren unterreicht und einzigartig ist. Warum, darüber rätseln Instrumentenbauer und Forscher schon seit Jahrzehnten. Einige schreiben den typischen Klang einer besonderen Lackierung zu, andere sehen das Geheimnis in der Form der Schalllöcher oder einem besonders dichten, langsam gewachsenen Holz. Auch ein Pilzbefall des Holzes könnte für die Klangeigenschaften eine Rolle spielen.

Stradivari-Holz im Test

„Dennoch bleibt es ein großes Geheimnis, warum es bis heute nicht gelungen ist, Instrumente zu konstruieren, die diesen Antiquitäten gleichwertig sind – und das trotz der großen technischen Fortschritte“, sagen Hwan-Ching Tai von der Nationalen Universität Taiwan und seine Kollegen. Bis heute ist zudem heiß umstritten, ob es tatsächlich grundlegende Unterschiede zwischen Stradivaris und modernen Geigen gibt.

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben die Forscher Holzproben von drei Stradivari-Geigen, einem Stradivari-Cello und einer Violine von Guiseppe Guarneri mit fünf verschiedenen chemischen Analysemethoden untersucht. Die Ergebnisse verglichen sie mit Holzproben moderner Violinen und Ahornhölzer.

Ungewöhnliche Mineralbehandlung

Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich grundlegende Unterschiede im Holz der Stradivari-Instrumente und moderner Hölzer. Allerdings hat nur ein Teil davon mit einer besonderen Methode des Geigenbauers oder dem verwendeten Ausgangsholz zu tun. So stellten die Forscher fest, dass das Holz der Stradivaris einer mineralischen Vorbehandlung unterzogen worden sein muss.

Anzeige
Blick in die Werkstatt eines Geigenbauers © bluegrain/iStock.com

„Diese Art der chemischen Behandlung war sehr ungewöhnlich und bei späteren Generationen von Geigenbauern unbekannt“, sagen Tai und seine Kollegen. Offenbar wurde das Holz dafür mit einer Lösung getränkt, die Aluminium, Kupfer und weitere Metalle enthielt. Selbst zu Stradivaris und Guarneris Zeit jedoch war diese sehr aufwändige und riskante mineralische Behandlung außerhalb Cremonas ungebräuchlich.

Vibration statt Pilzbefall?

Aber die Stradivari-Instrumente unterscheiden sich nicht nur in dieser Holzbehandlung. Auch ihr Alter und ihre Nutzung haben Spuren im Holz hinterlassen, die heute zu ihrem einzigartigen Klang beitragen. So ist im Laufe der Jahrhunderte rund ein Drittel der Hemizellulose im Geigenholz zerfallen und das Lignin teilweise oxidiert. Die Zellulose dagegen blieb intakt – und verleiht den Stradivaris bis heute ihre Stabilität.

Wie die Forscher feststellten, sind im Holz der Stradivari-Geigen zudem die Bindungen zwischen der Zellulose und dem Lignin gelockert. Dieser Holzzustand ähnelt dem bei einem Pilzbefall, doch im Falle der Stradivari-Geigen halten die Wissenschaftler eine andere Ursache für wahrscheinlicher: eine mechanische Lockerung durch die jahrhundertelangen Vibrationen des Musizierens. „Schon einige Stunden der Vibrationen können die interne Reibung von Holz verringern, indem sie Wasserstoffbrückenbindungen und Polymerketten umarrangieren“, so Tai und seine Kollegen.

„Kombination der Effekte“

„Durch die kombinierten Effekte von Alterung, Vibrationen und mineralischer Vorbehandlung hat das Holz der Stradivari-Geigen heute andere chemische Eigenschaften als das ihrer modernen Pendants“, so das Fazit der Forscher. Es liegt daher nahe, dass diese Kombination auch den Klang entsprechend beeinflusst.

Welchen Anteil die einzelnen Effekte jedoch am einzigartigen Klang der Stradivaris haben, muss nun noch genauer entschlüsselt werden. Doch dann könnte dies wertvolle Informationen für den modernen Geigen- und Instrumentenbau liefern. „Dies verbessert nicht nur unser Wissen über Stradivaris einzigartige Handwerkskunst, sondern könnte auch die Entwicklung neuer Materialien und Methoden für den modernen Instrumentenbau inspirieren“, so Tai und seine Kollegen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1611253114)

(PNAS, 20.12.2016 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Blutstropfen auf Fingerkuppe

Neues Diagnose-Verfahren erkennt zahlreiche Krebsarten

Wie KI das Internet schneller macht

Robo-Spinne soll Marshöhlen erkunden

Wie man beim Dart gewinnt

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Das Buch der Klänge - Eine Reise zu den akustischen Wundern der Welt Von Trevor Cox

Menschen und ihre Materialien - Von der Steinzeit bis heute Von Hans R. Kricheldorf

Das kugelsichere Federkleid - Wie die Natur uns Technologie lehrt von Robert Allen (Hrsg.)

Top-Clicks der Woche