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Umwelt

Parzellierte Erde: Straßen zerstückeln die Welt

Die Landfläche der Erde wird von Straßen in 600.000 Fragmente zerteilt

Unser Straßen und Autobahnen zerschneiden die Landschaft. Weltweit zerstückelt dies die Landfläche in mehr als 600.000 Fragmente. © Monticello/iStock.com

Bedenkliches Stückwerk: Auf unserm Planeten gibt es kaum noch große unberührte Gebiete. Stattdessen zerstückeln unsere Straßen die Natur in mehr als 600.000 Fragmente, wie eine erste globale Karte der straßenfreien Räume enthüllt. Für unser Streben nach Erschließung zahlt die Natur einen hohen Preis: In gut einem Drittel dieser straßenfreien „Parzellen“ ist die Artenvielfalt nur noch gering, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Unsere Technik und Infrastruktur prägt längst unseren gesamten Planeten, Straßen machen selbst die entlegensten Winkel der Erde erreichbar. Doch das hat seinen Preis: Inzwischen leiden 92 Prozent aller Menschen unter Luftverschmutzung und der Verkehrslärm macht viele krank. Die Lichtverschmutzung durch die Beleuchtung von Straßen und Orten macht die Nacht zum Tage und Ökosysteme werden zunehmend gestört.

36 Millionen Kilometer Straße kartiert

Und dieser Trend setzt sich fort: „Prognosen sagen ein Wachstum der globalen Straßenlänge um mehr als 60 Prozent voraus“, erklären Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und seine Kollegen. Um überhaupt erst einmal den Ist-Zustand zu erfassen, haben die Forscher die erste globale Karte der noch straßenfreien Gebiete der Erde zusammengestellt.

Dafür erfassten die Forscher zunächst mit Hilfe der Datenbanken von OpenStreetMap und gROADS die Verteilung von Straßen auf allen Landflächen der Erde – insgesamt 36 Millionen Kilometer Straße. Aus diesen Daten ermittelten sie, welche Flächen jeweils straßenfrei geblieben sind. Anschließend entwickelten sie einen Bewertungsindex für die straßenfreien Areale. Dieser setzt sich aus Größe, Grad der Vernetzung und Index für die Funktion des Ökosystems zusammen.

600.000 Parzellen

Das Ergebnis: „Rund 80 Prozent der Erdoberfläche sind noch immer straßenfrei – doch diese Fläche ist in mehr als 600.000 Fragmente zerstückelt“, berichten Ibisch und seine Kollegen. Die meisten dieser von Straßen eingerahmten Parzellen sind ziemlich klein: „80 Prozent dieser Flächen sind weniger als fünf Quadratkilometer groß, mehr als die Hälfte umfasst sogar weniger als einen Quadratkilometer“, so die Forscher.

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Die Karte zeigt die straßenfrien Gebiete. Rote Flächen sind unter Einbeziehung einer 1-Kilometer-Pufferzone komplett mit Straßen bedeckt. © Science/P. Ibisch

Nur in sieben Prozent der irdischen Landfläche finden sich noch ausgedehnte, unzerteilte Gebiete, die größer sind als 100 Quadratkilometer, wie die Kartierung zeigt. Die größten solcher Gebiete liegen in der Tundra und den borealen Wäldern der Nordhalbkugel sowie in einigen tropischen Gebieten Afrikas, Südamerikas und Südostasiens.

Ökologische Funktionsfähigkeit in Gefahr

Die Folge: Aufgrund dieser Zerstückelung hat ein Drittel der straßenfreien Areale nur noch eine geringe biologische Vielfalt, wie der Bewertungsindex ergab. Die für Pflanzen, Tiere und Mensch wichtigen ökologischen Funktionen können diese „Parzellen“ kaum noch erfüllen. „Die wenigen verbliebenen großen und ökologisch bedeutsamen Flächen unseres Planeten bilden daher Schlüsselrefugien für die Natur und liefern global relevante Ökosystem-Dienstleistungen“, betonen die Forscher.

Doch gerade diese Gebiete sind stark gefährdet: „Nur neun Prozent der straßenfreien Flächen liegen in Schutzgebieten“, berichten Ibisch und seine Kollegen. „Der Schutz dieser ökologisch wertvollen Gebiete ist unzureichend.“ Selbst das UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt vernachlässige den Erhalt der straßenfreien Areale und deren Bedeutung für die biologische Vielfalt.

Wie die globale Karte der straßenfeien Gebiete entstand und was sie zeigt.© Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

„Wir brauchen eine globale Strategie“

„Wir fordern die Regierungen dringend auf, die verbleibenden großen und ökologisch wertvollen, straßenfreien Räume zu priorisieren und hier den Bau von Straßen zu vermeiden“, fordert Ibisch. „Da sich die Straßen rasch weiter ausdehnen, ist es dringend notwendig, eine globale Strategie für die wirksame Erhaltung, Restaurierung und Überwachung von straßenfreien Räumen zu schaffen und umzusetzen.“

Wie nötig ein schnelles Handeln wäre, zeigt die Erfahrung der Wissenschaftler bei ihrer Studie: „Unsere Ergebnisse zum Umfang der straßenfreien Gebiete sind leider inzwischen positiver als die tatsächliche Situation. Wir wissen, dass viele dieser Gebiete bereits kleiner geworden sind“, erklärt Ibischs Kollegin Monika Hoffmann. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aaf7166)

(Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, 19.12.2016 – NPO)

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