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Medizin

Jojo-Effekt: Die Darmflora ist schuld

Übergewicht und Diät verändern Bakteriengemeinschaft im Darm nachhaltig

Nach einer Diät nehmen viele Menschen umso schneller wieder zu - der klassische Jojo-Effekt © geralt/pixabay

Auf „dick“ gepolt: Die Darmflora ist wahrscheinlich schuld am berüchtigten Jojo-Effekt. Denn sie bleibt selbst nach einer Diät ähnlich verändert wie bei Übergewicht, wie Versuche mit Mäusen nahelegen. Die Folge: Unsere Verdauung arbeitet anders und wir nehmen wir nach einer Diät umso schneller wieder zu. Diese Erkenntnis weckt nun Hoffnung auf neue Strategien gegen Übergewicht und Jojo-Effekt.

Abnehmen ist schwer genug, dauerhaft schlank zu bleiben jedoch erst recht. „Obwohl eine Vielzahl von Diätansätzen zur effektiven Gewichtsreduktion führen, schaffen es 80 Prozent der Erschlankten dann nicht, ihr Gewicht zu halten“, erklären Christoph Thaiss vom Weizman Institute of Science in Rehovot und seine Kollegen. Stattdessen folgt nach der Diät der gefürchtete Jojo-Effekt: Man nimmt noch schneller und stärker wieder zu.

Jojo-Effekt für Mäuse

Die genauen Ursachen dieses Jojo-Effekts waren bisher unbekannt. Klar schien nur, dass mehr dahinterstecken muss als fehlende Willenskraft. Um mehr herauszufinden, verpassten Thaiss und seine Kollegen übergewichtigen Mäusen den für Diäten typischen Ernährungs-Schleuderkurs: Erst fettreiche Kost, dann eine Schlankheitskur, dann wieder normales Futter.

Das Ergebnis: Auch die Mäuse zeigten schnell den typischen Jojo-Effekt. „Wie bei Menschen mit wiederholten Diäten nahmen auch die Mäuse nach einem Zyklus von Übergewicht, Diät und erneuter fettreicher Kost beschleunigt wieder zu – selbst wenn sie nach der Diät das Normalgewicht wieder erreicht hatten“, berichten die Wissenschaftler.

Nachhaltige Veränderung der Darmflora

Aber warum? Auf der Suche nach Ursachen analysierten die Forscher alle wichtigen Stoffwechsel-Parameter – fanden aber nichts. Fündig wurden die Forscher erst, als sie die Darmflora der Mäuse untersuchten. Schon länger weiß man, dass Übergewicht zu einer Verschiebung der Bakterienzusammensetzung im Darm führt. Diese sogenannte Dysbiose gilt als ein Mitauslöser des metabolischen Syndroms und damit der Begleiterkrankungen des Übergewichts.

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Der Darmkeim Escherichia coli sorgt dafür, dass die Darmumgebung für ihn optimal bleibt - auch indem er unseren Appetit manipuliert. © NIAID

Und tatsächlich: Obwohl die ehemaligen „Dickerchen“ unter den Mäusen äußerlich völlig schlank und normal aussahen, war ihre Darmflora dies nicht. „Stattdessen befand sich die Darmflora der Mäuse in einem Zwischenzustand zwischen Dysbiose und Normalfall“, berichten die Forscher. Das Gleichgewicht der verschiedenen Bakterienarten war deutlich gestört und auch die Genaktivität der Mikroben war durch die vorherige fettreiche Kost nachhaltig verändert.

Mikrobiom ist noch auf „dick“ gepolt

Die Darmflora der Mäuse war demnach in Teilen noch immer auf „dick“ gepolt – und beeinflusste dadurch den Energiehaushalt und Stoffwechsel. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Darmflora zur beschleunigten Gewichtszunahme nach einer Diät beiträgt“, konstatieren die Forscher. Das Gemeine daran: Bis sich das Mikrobiom des Verdauungstrakts bei diesen Mäusen normalisiert hatte, dauerte es 21 Wochen – fünfmal so lange wie ihre „Mast“ und folgende Diät gedauert hatten.

Aber sind die Bakterien im Darm wirklich ursächlich am Jojo-Effekt beteiligt? Um das herauszufinden, transplantierten die Wissenschaftler die Darmflora von ehemals dicken Mäusen in den zuvor keimfrei gemachten Verdauungstrakt von schlanken Kontrollmäusen. Das Ergebnis: Bekamen diese nun eine etwas fettreichere Kost, litten sie ebenfalls unter dem typischen Jojo-Effekt – obwohl sie weder Übergewicht noch eine Diät hinter sich hatten.

Neue Ansätze gegen Übergewicht?

Die neuen Erkenntnisse wecken Hoffnung auf neue Strategien gegen Übergewicht und Jojo-Effekt. So könnte man beispielsweise nach einer Diät versuchen, gezielt die Darmflora von ehemals Übergewichtigen zu normalisieren. Möglich wäre aber auch, an den Stoffwechselprodukten der Darmbakterien anzusetzen, wie erste Versuche von Thaiss und Kollegen nahelegen.

Als die Forscher ihren Diät-Mäusen spezielle Flavonoide verabreichten, stieg deren Grundumsatz wieder auf normale Werte an und der Jojo-Effekt schwächte sich ab. „Auf das Mikrobiom zielende Ansätze könnten daher helfen, eine Anfälligkeit für den Jojo-Effekt zu diagnostizieren und zu behandeln“, sagen die Forscher. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature20796)

(Nature, 25.11.2016 – NPO)

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