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Medizin

Rückschlag für Alzheimer-Therapie

Antikörper gegen Amyloid-Plaques scheitert in großer klinischer Studie

Einer gängigen Hypothese nach sind Amyloid-Plaques im Gehirn die Ursache von Alzheimer - und daher auch der vielversprechendste Ansatzpunkt für Therapien. © NIA/NIH

Enttäuschender Fehlschlag: Ein vielversprechender Antikörper zur Alzheimer-Therapie ist in einer großen klinischen Studie durchgefallen. Der Wirkstoff Solanezumab schaffte es nicht, den geistigen Abbau bei Patienten mit leichtem Alzheimer aufzuhalten. Dieses Scheitern sorgt nun für heftige Diskussionen unter Forschern. Einige bezweifeln nun, dass Therapien, die an der Plaquesbildung von Amyloid-Proteinen ansetzen, überhaupt sinnvoll sind.

Gegen die fortschreitende Zerstörung von Hirnzellen bei Alzheimer gibt es noch immer kein wirksames Heilmittel – auch, weil die Ursachen der Demenzerkrankung nicht vollständig aufgeklärt sind. Der bisher gängigsten Hypothese nach sind Ablagerungen verklumpter Amyloid-Proteine im Gehirn eine der Hauptursachen. Deshalb setzen die meisten der zurzeit getesteten Alzheimer-Mittel an diesen Amyloid-Plaques an.

Hoffnung auf Antikörper gegen Plaques

Einige Wirkstoffkandidaten haben zwar im Tierversuch hoffnungsvolle Ergebnisse erzielt, viele von ihnen aber erwiesen sich aber beim Menschen als wirkungslos. Die bisher vielversprechendsten Mittel sind Antikörper, die gezielt an den Amyloid-Proteinen ansetzen, sie abfangen und an der Verklumpung hindern. Einer dieser Antikörper, Aducanumab, hat kürzlich bei Alzheimer-Patienten die Plaques deutlich reduziert – ob dies auch die Demenz mindert, blieb aber offen.

Bei einem weiteren Antikörper war man schon einen Schritt weiter: Der vom Pharmakonzern Eli Lily entwickelte Wirkstoff Solanezumab wurde in einer klinischen Studie der Phase 3 bei 2.100 Patienten mit leichtem Alzheimer getestet. Eine Hälfte der Patienten erhielt einmal im Monat eine Antikörperdosis gespritzt, die andere ein Placebo. 18 Monate lang überprüften Forscher durch regelmäßige kognitive Tests, ob der Antikörper den geistigen Abbau bei den Patienten verlangsamte.

Abbau der Gehirnsubstanz bei mittlerem und schwerem Alzheimer © NIA

Keine messbaren Vorteile

Doch jetzt meldet der Pharmakonzern Eli Lilly einen enttäuschenden Fehlschlag: Die Behandlung mit Solanezumab erweis sich als kaum wirksamer als das Placebo. „Mit Solanezumab und symptomatischer Standardtherapie behandelte Patienten zeigten keine statistisch signifikante Verlangsamung der Abnahme der kognitiven Fähigkeiten“, heißt es in einem Statement des Konzerns.

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„Leider zeigt die Solanezumab-Studie EXPEDITION3 nicht die erhofften Ergebnisse“, sagte Lilly-CEO John C. Lechleiter. „Wir sind darüber enttäuscht – auch für die vielen Menschen, die auf eine Therapie warten, die potentiell den Verlauf der Alzheimer-Krankheit verzögern kann.“

Ist die Amyloid-Hypothese falsch?

Der Rückschlag mit dieser Antikörper-Therapie sorgt nun für Diskussionen unter Alzheimerforschern. Einige sehen dieses Ergebnis als Bestätigung dafür, dass die Amyloid-Hypothese falsch ist. „Die Amyloid-Hypothese ist tot“, kommentiert beispielsweise George Perry von der University of Texas in nature news. Man habe hier einen simplifizierenden Mechanismus zugrunde gelegt.

Andere sehen die Bedeutung des Fehlschlags differenzierter: Dieses Ergebnis ist sicherlich ein herber Rückschlag im Hinblick auf die Entwicklung neuer Therapien, die auf eine Reduktion des Amyloid Beta im Gehirn von Patienten zielen“, kommentiert Stefan Remy vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn. „Allerdings sollte dieses Studienergebnis auch nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Amyloid-Hypothese und amyloidbasierten Therapieansätzen führen.“

Mehr Erfolg mit anderen Antikörpern?

Sein Kollege Christian Haass vom DZNE sieht im Fehlschlag der Lilly-Studie eher ein Problem des Antikörpers Solanezumab, nicht aber des generellen Ansatzes: „Auf keinen Fall sollte jetzt wieder die unsägliche Debatte losgetreten werden, dass Amyloid das falsche Zielmolekül ist“, betont er. Seiner Ansicht nach sprechen positive Ergebnisse für andere Antikörper wie Aducanumab oder einen BACE1-Hemmstoff dafür, dass die Medizin auf dem richtigen Wege ist.

„Leider werden wir in der Alzheimerforschung wohl noch oft mit negativen Studienergebnissen konfrontiert werden, aber mit jeder wird man auch Neues dazulernen“, sagt Haass. „Eine Erklärung der aktuellen negativen Ergebnisse könnte darin liegen, dass Solanezumab im Gegensatz zu Aducanumab monomeres Amyloid im Blut erkennt und nicht aggregiertes Amyloid im Gehirn.“ Dadurch erreicht diese Immuntherapie möglicherweise gar nicht erst ihren eigentlichen Wirkort, das Gehirn.

Noch gibt es Hoffnung

Was aber bedeutet dies nun für künftige Studien und die Aussicht auf ein Heilmittel? Noch befinden sich einige vielversprechende Wirkstoffe in der Pipeline. So steht das endgültige Urteil für den bisher erfolgreichen Antikörper-Wirkstoff Aducanumab noch aus. Mit ihm beginnt gerade eine klinische Studie der Phase 3, Ergebnisse wird es aber voraussichtlich erst in einigen Jahren geben.

Auch bei dem jetzt gescheiterten Antikörper Solanezumab ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zurzeit läuft bei Eli Lilly noch eine zweite Studie, in der die vorbeugende Wirkung dieses Mittels getestet wird. Möglicherweise, so die Hoffnung, funktioniert diese Immuntherapie besser, wenn die Demenz noch nicht eingesetzt hat.

Eines aber demonstriert der Fehlschlag der aktuellen Studie auf jeden Fall: Ein Heilmittel für eine so komplexe Krankheit wie Alzheimer zu finden, ist alles andere als einfach.

(Eli Lilly, nature news, SMC, 25.11.2016 – NPO)

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