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Genetik

Struwwelpeter-Gene entdeckt

Forscher finden Ursache für unkämmbare Haare bei Kindern

Struwwelpater-Syndrom: Mädchen mit unkämmbaren Haaren. © privat

Hellblond, glänzend und absolut unkämmbar: Forscher haben herausgefunden, warum manche Kinder extrem verworrene, unkämmbare Haare besitzen. In ihrem Erbgut sind drei Gene mutiert – und das verursacht eine ungewöhnliche, störrische Haarstruktur. Dieses „Struwwelpeter-Syndrom“ ist zwar extrem selten, aber die Identifizierung der drei Mutationen und ihrer Auswirkungen hilft auch dabei, den normalen Haarwuchs besser zu verstehen.

Dass Kinder nicht immer einfach zu frisieren sind, wissen viele Eltern aus eigener Erfahrung. Doch mit Geduld und starken Nerven lassen sich meist auch die hartnäckigsten Knoten lösen. Doch beim „Struwwelpeter-Syndrom“ haben Bürste oder Kamm nicht den Hauch einer Chance. Die betroffenen Kinder haben extrem krause, trockene, meist hellblonde Haupthaare mit charakteristischem Glanz, die sich jeder Anstrengung, sie zu bändigen, erfolgreich widersetzen.

Über die Ursachen dieses Phänomens war bisher so gut wie nichts bekannt – wohl auch deshalb, weil es relativ selten ist. Erst gut hundert Fälle sind weltweit dokumentiert. „Wir nehmen aber an, dass es deutlich mehr Betroffene gibt“, erklärt Regina Betz von der Uni Bonn, eine Spezialistin für seltene erbliche Haarerkrankungen. „Wer unter unkämmbaren Haaren leidet, sucht ja nicht unbedingt einen Arzt oder eine Klinik auf.“

Fündig bei drei Genen

Immerhin weiß man, dass die Struwwelpeter-Haare in manchen Familien gehäuft vorkommen – das Syndrom könnte demnach genetische Ursachen zu haben. Als Betz daher vor ein paar Jahren auf eine Familie mit zwei betroffenen Kindern aufmerksam gemacht wurde, war ihr Interesse geweckt. „Über Kontakte zu Kollegen aus aller Welt gelang es uns, neun weitere Kinder zu finden“, erklärt sie. Auf der Suche nach einer genetischen Ursache nahmen die Forscher von allen Kindern DNA-Proben und suchten nach auffälligen Veränderungen.

Und tatsächlich: Beim Abgleich mit großen DNA-Datenbanken stießen die Forscher auf Mutationen in drei Erbanlagen, die an der Bildung des Haares beteiligt sind. Die veränderten Gene tragen die Kürzel PADI3, TGM3 und TCHH. Die ersten beiden enthalten die Bauanleitung für Enzyme, das dritte – TCHH – dagegen für ein wichtiges Protein des Haarschafts.

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Fehlerhafte Hornfäden

In gesundem Haar sind die TCHH-Proteine über hauchfeine Hornfäden miteinander vernetzt. Sie sind für Form und Struktur des Haares verantwortlich – und machen es weich und kämmbar. Die beiden anderen Gene spielen bei der Bildung dieser Hornfäden eine wichtige Rolle. Wenn auch nur eine der drei Gen-Komponenten nicht funktioniert, hat das fundamentale Auswirkungen auf die Struktur und Stabilität der Haare, wie die Forscher erklären.

Mäuse, bei denen beispielsweise das PADI3- oder das TGM3-Gen defekt ist, entwickeln Fell-Anomalien, die dem menschlichen Syndrom sehr ähnlich sind. Sind alle drei Gene defekt, führt das beim Menschen zu den störrischen, nicht kämmbaren Haaren, die für das Struwwelpeter-Syndrom so typisch sind.

Die Entdeckung der drei Mutationen erklärt aber nicht nur, wie die Struwwelpeter-Haare entstehen. Sie hilft auch dabei, die Bildung und die Eigenschaften unserer Haare besser zu verstehen. „Aus den gefundenen Mutationen lässt sich eine ganze Menge über die Mechanismen lernen, die an der Bildung gesunder Haare beteiligt sind, und warum es manchmal zu Störungen kommt“, freut sich Betz. (American Journal of Human Genetics, 2016; doi: 10.1016/j.ajhg.2016.10.004)

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 17.11.2016 – NPO)

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