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Astronomie

Rätsel um kosmische Röntgenblitze

Plötzlich aufflackernde Röntgenquellen ähneln keinem bekannten Phänomen im All

Blick auf die Galaxie Centaurus A (NGC 5128) mit dem neuentdeckten Röntgenblitz (Kreis). © NASA/CXC/UA/J.Irwin et al.

Mysteriöse Blitze: In zwei Galaxien nahe der Milchstraße haben Astronomen äußerst ungewöhnliche Röntgen-Flares entdeckt. Die beiden Röntgenquellen wurden mehrfach abrupt um das mindestens 100-Fache heller, um nach einer Minute wieder langsam zu verblassen. Das Rätselhafte daran: Das Verhalten dieser Röntgenblitze ähnelt keinem der bekannten Phänomene, weder Gammastrahlenausbrüchen noch Magnetaren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Im Universum blitzt es auf allen Wellenlängen: Explodierende Sterne produzieren Gammastrahlen-Ausbrüche, Schwarze Löcher verursachen Licht- und Röntgenpulse aus verschluckten Gasen und erst vor Kurzem entdeckten Astronomen ultrakurze Radioblitze, deren Ursprung noch immer ungeklärt ist.

Plötzliches Blitzen

Jetzt hat sich das Spektrum der rätselhaften Blitze erweitert: Aus gleich zwei verschiedenen Quellen haben Jimmy Irwin von der University of Alabama und seine Kollegen Röntgenblitze eingefangen, die in keines der bisherigen Erklärungsmuster passen. Sie entdeckten die Flares, als die 70 nahegelegene Galaxien mit den Röntgenteleskopen Chandra und XMM-Newton absuchten.

„Diese Flares sind außergewöhnlich“, sagt Koautor Peter Maksym vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. „Für kurze Zeit wurde eine der Röntgenquellen dadurch zum hellsten Röntgenobjekt, das man jemals in einer elliptischen Galaxie gesehen hat.“

Zwei Galaxien, ähnliche Flares

Die erste Blitz-Quelle liegt im Außenbereich von Centaurus A, einer rund zwölf Millionen Lichtjahre entfernten elliptischen Galaxie. Das Chandra-Teleskop registrierte dort eine plötzliche Röntgenexplosion: Innerhalb von Sekunden wurde eine sonst schwache Strahlenquelle 200 bis 300 Mal heller. Nach etwa einer Minute des Aufleuchtens schwächte sich die Strahlung im Verlauf einer Stunde wieder ab.

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Diese Abfolge von Aufnahmen des Röntgenteleskops Chandra zeigt das Aufleuchten und Verblassen des Flares nahe Centaurus A. © NASA/CXC/UA/J.Irwin et al.

Die zweite Blitz-Quelle liegt 47 Millionen Lichtjahre entfernt nahe der Galaxie NGC 4636 im Sternbild Jungfrau. Auch dieses Objekt verstärkte seine Röntgenstrahlung innerhalb von Sekunden um das mehr als Hundertfache, um dann allmählich wieder zu verblassen. Bei Centaurus A registrierten die Astronomen insgesamt fünf Flares, bei NGC 4636 einen. Sie vermuten aber, dass beide Objekte solche Röntgenblitze in schnellem Rhythmus abgeben – mit einer Wiederholrate von nur wenigen Tagen.

„So etwas haben wir noch nie gesehen“

Worum aber handelt es sich? Genau diese Frage bereitet den Astronomen bisher Kopfzerbrechen. Denn die Merkmale der beiden aufblitzenden Objekte passen zu keiner der bisher bekannten Röntgenquellen. „So etwas haben wir noch nie zuvor gesehen“, sagt Irwin. „Astronomen kennen viele verschiedenen Objekte, die aufleuchten können, aber diese Flares könnten ein ganz neues Phänomen darstellen.“

Gammastrahlen-Ausbrüche können zwar ähnlich abrupt auftreten, wiederholen sich aber nicht mehrmals an der gleichen Stelle. Denn ihre Quelle, ein sterbender Stern, wird bei der Explosion zerstört. Ähnlich abrupte, wiederholte Röntgenblitze kennt man zwar von Magnetaren – jungen, schnell rotierenden Neutronensternen. Doch diese kommen typischerweise nicht in Regionen mit eher dichten, alten Sternenumgebungen vor, wie es bei diesen beiden Röntgenquellen der Fall ist.

Ein intermediärer Materieschlucker?

Eine weitere Möglichkeit wäre noch ein Stern, der ein Schwarzes Loch oder einen Neutronenstern umkreist und dabei periodisch Gas verliert. Wird diese Materie vom Partner angesaugt, können Strahlenpulse freiwerden. Allerdings: Normalerweise sind diese Röntgenpulse tausendfach schwächer als die neu entdeckten Flares, wie die Astronomen erklären.

Möglicherweise könnte ein intermediäres Schwarzes Loch die ungewöhnlich hohe Intensität der Röntgenblitze erklären. Diese Objekte von hundert bis tausend Sonnenmassen sind so selten und schwer zu beobachten, dass lange umstritten war, ob es sie überhaupt gibt.

Welches Objekt tatsächlich die ungewöhnlichen Röntgenblitze ausstößt, bleibt vorerst unklar – weitere Forschungen müssen folgen. „Jetzt, wo wir diese blitzenden Objekte entdeckt haben, werden angewandte Astronomen und Theoretiker gleichermaßen fieberhaft nach einer Erklärung für dieses Phänomen suchen“, sagt Gregory Sivakoff von der University of Alberta. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature19822)

(Chandra/ Nature, 24.10.2016 – NPO)

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