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Physik

Erste direkte Beobachtung von Atomen im Gas

Verhaltens-Eigenheiten der einzelnen Atome könnten mehr über Supraleiter verraten

Forscher haben erstmals das Verhalten einzelner Kalium-Atome in einem ultrakalten Gas beobachtet. © Christine Daniloff/ MIT

Eigenbrödler und Paarbildner: Zum ersten Mal ist es Forschern gelungen, das Verhalten einzelner Atome in einem ultrakalten Gas zu beobachten. Dabei zeigten sich spannende Eigenheiten: Einige Atome verhielten sich eher unsozial und beanspruchten ihren persönlichen Freiraum. Andere dagegen bildeten Paare und sogar Türme. Diese Beobachtungen könnten dazu beitragen, auch die Vorgänge in Supraleitern besser zu verstehen, erklären die Physiker im Fachmagazin „Science“.

Einzelne Atome direkt zu beobachten ist keine einfache Aufgabe. Zwar zeigen Rastertunnel- oder Rasterkraftmikroskope die Anordnung von Atomen in einer Oberfläche an, aber eine dreidimensionale Abbildung ihrer Position gelang Forschern erst vor rund einem Jahr. Noch schwieriger aber ist es, Atome in einem Gas dingfest zu machen. Denn aufgrund der Molekularbewegung bewegen sie sich ständig umher und würden daher bestenfalls als verwischte Schemen erscheinen.

Jetzt jedoch ist es Lawrence Cheuk vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seinen Kollegen erstmals gelungen, einzelne Kalium-Atome in einem Gas zu beobachten. Ihr Trick: Sie kühlten das Gas bis auf wenige Nanograd über den absoluten Nullpunkt ab. Dadurch verlangsamte sich die Atombewegung. Zusätzlich sperrten sie sie in einem optischen Gitter aus Laserstrahlen ein und beobachteten ihre Interaktionen mit einem Spezialmikroskop.

Eigenbrödler am dünnen Rand

Dabei zeigte sich: Einige Atome am dünnen Rand der Gaswolke verhielten sich ziemlich antisozial. Sie blieben einzeln in ihren optischen Käfigen und hielten ständig einen bestimmten Abstand von ihren „Artgenossen“. „Sie schufen sich einen kleinen Raum für sich. Ein zweites Atom in diesem Raum zu finden, war sehr unwahrscheinlich“, berichtet Seniorautor Martin Zwierlein vom MIT.

Dieses Verhalten entspricht jedoch durchaus den Erwartungen. Denn wie der Physiker Enrico Fermi erkannte, gilt das ursprünglich für Elektronen formulierte Pauli-Prinzip auch für Atome. Es sorgt dafür, dass Atome mit ansonsten gleichen Eigenschaften immer einen gewissen Abstand zwischen sich halten.

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„Sackhüpfende“ Atome

Deutlich überraschender aber war das Verhalten der Atome bei einer Kompression der Wolke. Jetzt neigten die Kaliumteilchen dazu, zusammenzuklumpen. Einige rückten in ihren benachbarten Laserkäfigen eng aneinander und bildeten so Paare. Dabei zeigte ihr Spin jeweils in die entgegengesetzte Richtung. „Dadurch entstand eine Art Schachbrettmuster“, berichtet Zwierlein.

Andere Atome türmten sich in der Senkrechten aufeinander. Sie bildeten einen „Paarturm“ und hinterließen dadurch an ihrer alten Position eine Lücke. Wie Zwierlein erklärt, ähnelt dieses Verhalten dem von Elektronen in einem Hochtemperatur-Supraleiter, denn auch sie bilden Paare und gehorchen ähnlichen Gesetzmäßigkeiten.

Modell für Supraleiter

Die Beobachtung der Atome im ultrakalten Gas könnte daher wertvolle Rückschlüsse auf die Vorgänge in Supraleitern geben. „Es gibt keinen klassischen Computer auf der Welt, der berechnen kann, was bei sehr tiefe Temperaturen mit interagierenden Elektronen geschieht“, sagt Zwierlein. „Auch ihre räumlichen Beziehungen sind noch nie in situ beobachtet worden.“

Um trotzdem mehr über die Vorgänge im Supraleiter herauszufinden, nutzen die Forscher ihr ultrakaltes Gas gewissermaßen als Simulator. „Indem wir von diesen Atomen als Modell lernen, können wir besser verstehen, was wirklich in diesen Materialien vorgeht“, so Zwierlein. Seine Hoffnung: Vielleicht verraten die Atome den Physikern, wie man Materialien erzeugt, die sogar bei Raumtemperatur supraleitend sind. (Science, 2016; doi‘: 10.1126/science.aag3349)

(Massachusetts Institute of Technology, 19.09.2016 – NPO)

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