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Astronomie

Dunkler Zwilling der Milchstraße entdeckt

Galaxie Dragonfly 44 besteht zu 99,9 Prozent aus Dunkler Materie

Das Eigentliche ist unsichtar: Im Coma-Cluster liegen hunderte von "Dunklen Galaxien" - sie sind auf dieser Aufnahme nicht sichtbar, weil sie trotz reichlich Masse nur wenige Sterne enthalten. © NASA / JPL-Caltech / L. Jenkins (GSFC)

Dunkle Schwestergalaxie: Astronomen haben eine Galaxie entdeckt, die genauso massereich ist wie unsere Milchstraße, aber nur ein Hunderstel ihrer Sterne besitzt. Stattdessen besteht Dragonfly 44 zu 99,9 Prozent aus Dunkler Materie. Sie ist damit der erste bekannte „dunkle Zwilling“ der Milchstraße. Ihre Existenz gibt einerseits Rätsel auf, bietet aber andererseits eine Chance, die Natur der Dunklen Materie genauer zu erforschen.

Galaxien wie unsere Milchstraße bestehen nicht nur aus Sternen und Gaswolken, sondern auch aus reichlich Dunkler Materie. In unserer Galaxie könnte ihr Anteil mit rund 800 Milliarden Sonnenmassen mindestens doppelt so hoch liegen wie der der sichtbaren Materie. Aber es geht auch noch extremer, wie Astronomen vor einigen Jahren entdeckten.

Im rund 300 Millionen Lichtjahre entfernten Coma-Cluster spürten sie rund 800 Galaxien auf, die trotz hoher Masse sehr sternenarm sind. Der Verdacht lag nahe, dass diese Ultra Diffusen Galaxien (UDG) fast nur aus Dunkler Materie bestehen – belegen ließ sich dies damals aber nicht.

Verräterisches Sternen-Tempo

Um die Zusammensetzung dieser rätselhaften Galaxien zu klären, haben Pieter von Dokkum von der Yale University in New Haven und seine Kollegen nun eine der „Dunklen“ Galaxien im Coma-Cluster genauer unter die Lupe genommen. Mit Hilfe von Teleskopen des Keck-Observatoriums und des Gemini North-Teleskops auf Hawaii maßen sie, wie schnell sich die Sterne in der Galaxie Dragonfly 44 bewegen.

„Die Bewegungen der Sterne verraten uns, wie viel Materie es dort gibt“, erklärt van Dokkum. „Und in der Dragonfly -Galaxie bewegen sich die Sterne sehr schnell. Wir haben festgestellt, dass es dort sehr viele mehr Masse gibt als die Sterne allein erklären können.“

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Nur ein verwaschener Fleck: Die Galaxie Dragonfly 44 besteht zu 99,9 Prozent aus Dunkler Materie © Pieter van Dokkum, Roberto Abraham, Gemini, Sloan Digital Sky Survey

„Eine gescheiterte Milchstraße“

Aus den Geschwindigkeiten der Sterne schließen die Astronomen, dass Dragonfly 44 fast so viel Masse umfassen muss wie unsere Milchstraße. Doch sie besitzt nur rund ein Hundertstel der Sterne unserer Galaxie. Das lässt nach Ansicht der Forscher nur den Schluss zu, dass Dragonfly 44 zu 99,9 Prozent aus Dunkler Materie besteht.

„Dragonfly 44 kann damit als eine Art gescheiterter Milchstraße angesehen werden“, konstatieren van Dokkum und seine Kollegen. Einen solchen dunklen Zwilling unserer Galaxie zu finden, war allerdings unerwartet. „Wir haben keine Ahnung, wie sich Dragonfly 44 gebildet haben könnte“, sagt Koautor Roberto Abraham von der University of Toronto. „Ein wichtiges Indiz liefert möglicherweise die Tatsache, dass ein relativ großer Anteil der Sterne in sehr kompakten Clustern vorliegt“, so Abraham. „Aber im Moment raten wir nur.“

Hilfe bei der Suche nach Dunkle Materie-Teilchen?

Unabhängig davon bieten Dunkle Galaxien wie diese nach Ansicht der Forscher eine gute Gelegenheit, intensiver nach den noch immer geheimnisvollen Teilchen der Dunklen Materie zu suchen. Bisher sind sich die Astrophysiker nicht einmal einig, nach was für Teilchen man eigentlich suchen soll, Kandidaten sind sowohl WIMPs – Weakly Interacting Massive Particles, als auch exotischere Partikel wie „dunkle Photonen“ oder eine fünfte Grundkraft.

„Dafür ist es hilfreich, wenn man Objekte hat, die fast ausschließlich aus Dunkler Materie bestehen“, erklärt van Dokkum. „Denn dann wird man nicht von Sternen und anderen Störfaktoren abgelenkt.“ Noch besser wäre es allerdings, wenn man eine Dunkle Galaxie finden würde, die näher an der Erde liegt. „Dann könnten wir nach den schwachen Signalen suchen, die Dunkle Materieteilchen aussenden könnten“, sagt van Dokkum. „Die Suche läuft.“ (Astrophysical Journal Letters, in press; arXiv:1606.06291)

(W. M. Keck Observatory, 26.08.2016 – NPO)

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