Anzeige
Biologie

Pferde: Ursprung von Tölt und Pass liegt in England

Wikinger setzten die weltweite Verbreitung der Gangpferde in Gang

Islandpferd im Tölt. Wo der Ursprung für diese Gangart liegt, war lange unklar. © Dagur Brynjólfsson/ CC-by-sa 2.0

Überraschender Fund: Entgegen bisherigen Annahmen stammt die Fähigkeit zum Passgang und Tölt bei Pferden nicht aus Island oder Skandinavien. Stattdessen entwickelten Pferde in England als erste die Mutation, die diese ungewöhnlichen Gangarten ermöglichten, wie Genanalysen zeigen. Nach Island kamen diese „Gangpferde“ erst, als die Wikinger sie in England erbeuteten und mitnahmen.

Schritt, Trab oder Galopp beherrschen alle Pferde. Doch einige Pferderassen wie die Isländer können zusätzlich noch zwei weitere Gangarten, den Pass und den Tölt. Erster ist ein Trab, bei dem jeweils beide Beine der gleichen Seite gleichzeitig nach vorne oder hinten schwingen, ähnlich dem Passgang beim Kamel. Der Tölt ist eine schnelle Schrittfolge ohne Schwebephasen.

Beide Spezialgangarten sind für Reiter sehr bequem, weil der Rücken des Pferdes weniger ruckartig auf und abschwingt wie bei Trab oder Galopp. Schon im Mittelalter galten solche Gangpferde daher als besonders wertvoll und wurden beispielsweise als Reitpferde für Adelige oder Frauen eingesetzt – und gezielt gezüchtet.

Eine Mutation ist schuld

Bereits im Jahr 2012 fanden Forscher heraus, dass die Fähigkeit zum Pass und Tölt genetisch bedingt ist: Nur Pferde, die eine Mutation im Gen DMRT3 tragen, lernen diese Gangarten. Unklar blieb aber bisher, woher die ersten Gangpferde stammten. Weil Isländer am häufigsten Pass und Tölt beherrschen, vermutete man ihren Ursprung in Skandinavien.

Ob das stimmt, haben nun Saskia Wutke vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin und ihre Kollegen näher untersucht. Für ihre Studie analysierten sie das Erbgut von 90 europäischen Pferde-Fossilien aus der Zeit zwischen Kupferzeit um 6000 vor Christus und dem Mittelalter um 1000 nach Christus. Dabei suchten sie gezielt nach der Mutation im DMRT3-Gen.

Anzeige
Wahrscheinlich bekamen die Islandpferde die Gang-Mutation von englischen Vorfahren. © Thomas Quine/ CC-by-sa 2.0

Ursprung in England

Überraschenderweise wurden die Forscher woanders fündig als sie erwartet hätten. Denn bisher vermutete man den Ursprung dieser Mutation im frühen Skandinavien – weil die Isländer-Pferde am häufigsten diese Mutation besitzen und sie einst von den Wikingern auf diese Insel gebracht wurden. Zudem stammt der früheste Nachweis der Mutation auf Island bereits aus dem Jahre 870.

Doch in Skandinavien und in ganz Kontinentaleuropa fanden die Wissenschaftler kein einziges Pferdefossil mit dieser Genmutation aus der Zeit vor 870. Dafür aber stießen sie in zwei englischen Pferden aus der Zeit um 850 auf die Gang-Mutation. Das spricht dafür, dass diese Mutation ursprünglich in dieser Region entstand: „Wir haben den Ursprung der Gangpferde damit ins mittelalterliche England zurückverfolgt“, sagt Koautor Arne Ludwig vom IZW.

Beute der Wikinger

Wie aber kamen dann die ersten Gangpferde nach Island? Nach Ansicht der Forscher muss dies mit den Wikingern geschehen sein. Es ist historisch belegt, dass die Wikinger wiederholt in Großbritannien brandschatzten. Im 9. Jahrhundert unterwarfen sie auch das Gebiet in Yorkshire, aus der die zwei historischen Gangpferde stammen. „Es liegt also nahe, dass die Wikinger erstmals in England auf Gangpferde trafen und sie von dort mit nach Island nahmen“, erklärt Wutke.

Auf der Insel angekommen, erkannten die Wikinger offenbar schnell den Vorteil der Gangpferde und begannen, gezielt mit ihnen zu züchten. Der sanfte Gang war vermutlich besonders gut geeignet, um im unwegsamen Gelände Islands größere Strecken zurückzulegen. Erst später dann verbreiteten sich die Gangpferde von Island und England aus auch im Rest von Europa. (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2016.07.001)

(Forschungsverbund Berlin e.V., 09.08.2016 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Fantastisches Tierreich - Zwischen Legende und Wirklichkeit von John Downer

Das Leben der Säugetiere - von David Attenborough, Dan Jones, und Ben Salisbury

Top-Clicks der Woche