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Biologie

Schnellster Schwamm der Welt gibt Rätsel auf

Tethya erkennt nächtlichen Besuch ohne Nervensystem

Schwamm Tethya © Michael Nickel/Universität Stuttgart

Schwämme sind den meisten nur als Badeschwamm ein Begriff. Was unter der Dusche und in der Badewanne landet, sind jedoch die Überreste des faserigen Skeletts eines vormalig lebenden Tieres. Vor zwei jahren entdeckten Wissenschaftler durch Zufall einen Schwamm der besonderen Art: Klein, weiß und ziemlich schnell. Doch wie sich jetzt herausgestellt hat, weist Tethya, so der wissenschatliche Name des Tieres, noch weitere Besonderheiten auf.

Die Forscher entdeckten die kleine Schwammart durch Zufall in Stuttgarts Zoologischem Garten, der Wilhelma. Ursprünglich waren sie im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Stuttgart auf der Suche nach leicht kultivierbaren Schwämmen. Wirkstoffe enthielten die weißen Kugeln, die die Wissenschaftler fanden, zwar nicht, aber anbsonsten entpuppte sich die neue Schwammart als ziemlich außergewöhnlich: Mit dem Badeschwamm ist Tethya wilhelma zwar verwandt, hat jedoch sonst mit ihm nicht viel zu tun. Er ist viel kleiner, meistens nur zwischen einem und vier Zentimetern im Durchmesser und kugelrund. Im Gegensatz zum Badeschwamm besitzt er kein faseriges Skelett, sondern eines aus mineralischen Nadeln, die die Körperform stabilisieren.

Geschwindigkeitsrekord im Reichn der Schwämme

Und aus noch einem Grund ist Tethya wilhelma ein besonderer Schwamm: Als festgewachsene Tiere sind Schwämme in der Regel bewegungslos. Nicht so der Wilhelma-Schwamm. Bis zu mehrere Zentimeter pro Tag wandert er über Steine und Wände – ein Rekord. Wie es funktioniert, ist im Detail noch ungeklärt. Inzwischen hat sich Tethya wilhelma zu einem Modellorganismus für die Schwammforschung gemausert. Dass Tethya, der als schnellster Schwamm der Welt bekannt wurde, ein lohnendes Forschungsobjekt ist, zeigte jüngst seine Präsenz auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe von The Journal of Experimental Biology.

In einem Forschungsbeitrag analysiert der Stuttgarter Zoologe Dr. Michael Nickel das Verhalten der weißen, kugelförmigen Schwammkörper mit Hilfe digitaler Bildverarbeitung. Dabei zeigte sich, dass Tethya nicht nur wandern kann, sondern der Schwammkörper auch ungewöhnlich stark kontrahieren kann. Das Körpervolumen schrumpft dabei um bis zu 70 Prozent. Wasser aus dem Kanalsystem im Inneren des Schwammes strömt aus und wird in der folgenden Phase der Volumenzunahme durch frisches Umgebungswasser ersetzt. Der gesamte Ablauf erinnert entfernt an einen Atemzug. Dabei können bei jedem Einströmvorgang Nährstoffe und gelöster Sauerstoff in großer Menge in den Schwamm gelangen. Die Kontraktionen wiederholen sich rhythmisch.

Nächtliche Störungen sorgen für Irritation

Und es gibt eine weitere Besonderheit: diese Rhythmik ist abhängig von der Tageszeit. Während der Schwamm am Tage regelmäßig und oft mehr als einmal pro Stunde kontrahiert, verlängern sich die Intervalle zwischen den Kontraktionen bei Nacht deutlich. Doch diese Ruhephase kann gestört werden. In Experimenten im Aquarium reagierte Tethya auf den Besuch von nahrungssuchenden Kleinkrebsen mit starken Kontraktionen außerhalb des regelmäßigen Musters.

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Hinter diesen Verhaltensweisen verbergen sich neue ungelöste Rätsel: Schwämme besitzen kein Nervensystem. Noch ist völlig unklar, wie Tethya die Signale weiterleitet und verarbeitet, auf denen sein Kontraktionsverhalten und seine Bewegungen basieren. Da gibt es für die Stuttgarter Zoologen noch jede Menge zu tun, bis Tethyas evolutionär sehr ursprüngliche Signalverarbeitung komplett erforscht sein wird. Der kleine weiße Schwamm darf also weiterhin den Wissenschaftlern „Modell stehen“.

(Universität Stuttgart, 08.12.2004 – NPO)

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