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Physik

Rätsel um die Dichteanomalie gelöst

Van-der-Waals-Kräfte stecken hinter dem ungewöhnlichen Verhalten des Wassers

Wassermoleküle bilden zwischen sich Wasserstoffbrückenbindungen aus. © Qwerter/CC-by-sa 3.0

Forscher haben das Rätsel um die Dichteanomalie des Wassers gelöst: Nicht nur die Wasserstoffbrücken-Bindung, sondern auch Van-der-Waals Kräfte sind an dieser ungewöhnlichen Eigenschaft des Wassers beteiligt. Die Kräfte, die auch Geckos an der Wand halten, beeinflussen demnach, wie flexibel die Wassermoleküle miteinander verbunden sind – und das verleiht Wasser bei vier Grad eine besonders hohe Dichte.

Wasser ist ein ziemlich ungewöhnlicher Stoff. Denn statt wie die meisten Flüssigkeiten beim Gefrieren an Dichte zu gewinnen, hat Wasser seine dichteste Konfiguration bei vier Grad plus – also wenn es noch flüssig ist. Diese Dichtanomalie sorgt dafür, dass Eis auf dem Wasser schwimmt und Seen und Tümpel im Winter selten komplett durchfrieren. Unten bleibt ein Rest dichten, flüssigen Wassers zurück.

Aber warum verhält sich Wasser so ungewöhnlich? Naheliegend wäre, den Grund bei den Wasserstoffbrückenbindungen zu suchen. Diese Bindungen bilden sich zwischen den leicht negativ geladenen Sauerstoffatomen und den eine positive Teilladung tragenden Wasseratomen der Wassermoleküle. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Wasser einen hohen Siedepunkt hat. Die Anomalie lässt sich aber allein durch diese Bindungen nicht erklären.

Künstliche neuronale Netze zur Darstellung der Wasseratome

Christoph Dellago von der Universität Wien hat nun zusammen mit einem Forscherteam der Ruhr Universität Bochum die Dichteanomalie erneut erforscht und ist dabei auf neue Erkenntnisse gestoßen. Dafür untersuchten die Forscher die Eigenschaften von Wasser mithilfe einer Computersimulation, welche ihnen genaue Einblicke in die Bewegung der einzelnen Moleküle verschaffte.

Für ihre Methode nutzten die Wissenschaftler ein Prinzip aus der Hirnforschung: Künstliche neuronale Netze, die die Wechselwirkung der Atome als Funktion darstellen. Diese Netze konnten sie mit den berechneten quantenmechanischen Ergebnissen „trainieren“ und bekamen so die Möglichkeit, die Wechselwirkungen der Wassermoleküle in präzisen quantenmechanischen Berechnungen darzustellen – und das 100.000-mal schneller als mit herkömmlichen Methoden, so Dellago.

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Van der Waals Kräfte sind der Grund

Dabei kamen die Forscher zu einem interessanten Ergebnis: Zwischen den Wassermolekülen wirken Van-der Waals Kräfte, welche entscheidend für die Geometrie und Flexibilität der Wasserstoffbrücken sind. Bei einer geringen Temperatur ist die Bindung der Wasserstoffbrücken am stärksten und die Moleküle werden durch eintretende Van-der-Waals Wechselwirkungen stärker aneinander gebunden.

Wassereis schwimmt auf der Wasseroberfläche, hier Meereisschollen auf dem arktischen ozean. © Patrick Kelley/USGS, CC-by-sa 2.0

Dadurch ist Wasser bei rund vier Grad am dichtesten. Fällt die Temperatur unter vier Grad, wirken die Van-Waals-Kräfte jedoch nicht mehr und die Moleküle weichen leicht auseinander. Gefrorenes Wasser ist daher trotz seiner Kristallstruktur weniger dicht. „Beides kann durch die Flexibilität der Wasserstoffbrückenbindungen erklärt werden“, sagen die Forscher. „Und das wiederum ist das Ergebnis einer sensiblen Balance von schwachen Van-der-Waals-Kräften.“

Die Dichteanomalie ist damit das Resultat einer subtilen Wechselwirkung verschiedener Bindungskräfte. „Diese schwachen Wechselwirkungen, die es beispielsweise Geckos ermöglichen, an glatten Oberflächen zu haften, beeinflussen das Wasserstoffbrücken-Netzwerk und sind für den Dichteunterschied zwischen Eis und flüssigem Wasser verantwortlich. Dieser Dichteunterschied wiederum sorgt dafür, dass Eis auf der Wasseroberfläche schwimmt“, erklärt Dellago. (Proceeding of the National Academy of Sciences (PNAS), 2016; doi: 10.1073/pnas.1602375113)

(Proceeding of the National Academy of Sciences (PNAS), 06.07.2016 – TKR)

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