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Psychologie

Jugendliche lernen anders

Teenager reagieren fast ausschließlich auf Belohnung

Teenager lernen anders als Erwachsene - Belohnungen helfen bei ihnen am meisten © Antonio Diaz/ iStock.com

Lieber Zuckerbrot statt Peitsche: Wer Jugendlichen etwas beibringen möchte, sollte am besten mit Belohnungen arbeiten. Denn darauf reagiert das Gehirn der Heranwachsenden offensichtlich besonders stark. Das zeigt nun ein Experiment. Demnach prägen sich Teenager Dinge nur dann gut ein, wenn sie mit positiven Anreizen verbunden sind. Bestrafungen oder andere Kontexte fördern – anders als bei Erwachsenen – den Lernprozess nicht.

Jugendliche verhalten sich aus Sicht von Erwachsenen oft merkwürdig. Sie gehen unnötige Risiken ein, sind impulsiv und scheinen in vielen Dingen beratungsresistent zu sein. Kurzum: Sie ticken einfach anders. Das lässt sich auch am Gehirn der Heranwachsenden ablesen. Es erfährt während der Pubertät drastische Umstrukturierungen und reagiert in vielen Situationen anders als das Hirn eines Erwachsenen.

So legen zum Beispiel Studien an Ratten nahe, dass bestimmte Hirnregionen bei Teenagern viel stärker belohnungsorientiert sind als bei Erwachsenen. Wissenschaftler um Stefano Palminteri vom University College in London haben nun untersucht, ob das tatsächlich stimmt – und ob diese Eigenheit womöglich auch das Lernverhalten von Jugendlichen beeinflussen könnte.

Lernverhalten im Test

Für ihr Experiment testeten die Forscher, wie Jugendliche und Erwachsene Entscheidungen treffen und welche Rolle dabei zuvor gemachte Erfahrungen spielen. 18 Probanden zwischen zwölf und siebzehn Jahren sowie zwanzig Teilnehmer zwischen 18 und 32 Jahren mussten sich dafür im Rahmen eines Spiels immer wieder zwischen zwei Symbolen entscheiden, die die Forscher ihnen aus einem Pool verschiedener Zeichen zur Wahl stellten.

Bestimmte Symbole waren dabei stets mit einer festgelegten Gewinnchance verbunden: Bei manchen Symbolen war die Wahrscheinlichkeit höher, einen Punkt zu gewinnen. Bei anderen wiederum stieg die Chance für keinen Gewinn oder gar einen Punktabzug. Je länger die Probanden spielten, desto besser konnten sie theoretisch abschätzen, welche Wahl wahrscheinlich ein positives Ergebnis zur Folge haben würde.

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Jugendliche lernen besser mit Belohnung

Doch nutzten die Versuchspersonen die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen auch, um ihre Erfolgschancen zu erhöhen? Die Auswertung offenbarte: Die jugendlichen Probanden lernten die Bedeutung der Symbole nicht unter jeder Bedingung gleich gut. Sie reagierten vor allem auf jene Zeichen, die mit einem Punktgewinn verbunden waren. Die Bedeutung von mit einem Punktabzug assoziierten Symbolen konnten sie sich schlechter merken.

Die Erwachsenen schnitten hingegen beim Lernen aller Symbole ähnlich gut ab – unabhängig davon, ob diese mit einer Punktebelohnung oder einer -bestrafung verbunden waren. Noch besser wurden sie, wenn ihnen die Forscher nach einer Entscheidung sagten, was passiert wäre, wenn sie sich für das andere zur Verfügung stehende Symbol entschieden hätten. Teenager schienen solchen Informationen dagegen keine Beachtung zu schenken.

Nützliche Erkenntnis für Eltern

Die Forscher verglichen das Verhalten der Probanden anschließend mit Computermodellen, die verschiedene Lernprozesse simulieren. Dabei zeigte sich, dass die Entscheidungen der Jugendlichen tatsächlich einem simplen belohnungsorientierten Lernmodell folgen. Sprich: Sie lernen fast ausschließlich durch Belohnung.

Im Gegensatz dazu glich das Verhalten der Erwachsenem einem weitaus komplexeren Modell: Sie betrachten den gesamten Kontext und messen der Vermeidung von Bestrafung das gleiche Gewicht zu wie der Suche nach Belohnung, wie Palminteri und seine Kollegen berichten.

Teenager lernen demnach anders als Erwachsene – eine Erkenntnis, die Eltern und Lehrern nützen könnte: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es viel effektiver ist, Dinge in einen positiven Kontext zu stellen anstatt mit negativen Folgen zu drohen“, schreiben die Wissenschaftler. Wer seinen Sprössling zum Geschirrspülen bewegen will, solle künftig deshalb lieber mit einer Münze als Belohnung argumentieren anstatt mit Taschengeld-Entzug. (PLOS Computational Biology, 2016; doi: 10.1371/journal.pcbi.1004953)

(University College London, 21.06.2016 – DAL)

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