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Astronomie

Erstes chirales Molekül im All entdeckt

Propylenoxid kommt in galaktischer Molekülwolke zwei Varianten vor

Das im Zentrum der Milchstraße entdeckte Propylenoxid kommt in zwei Formen vor, die sich wie Bild und Spiegelbild gleichen. © B. Saxton, NRAO/AUI/NSF from data provided by N.E. Kassim, Naval Research Laboratory, Sloan Digital Sky Survey

Wie Bild und Spiegelbild: Astronomen haben im Weltraum erstmals ein Molekül nachgewiesen, das in zwei „Händigkeiten“ vorkommt. Sie entdeckten die organische Verbindung Propylenoxid in einer interstellaren Gaswolke im Zentrum der Milchstraße. Das Spannende daran: Alle bekannten Lebensformen bauen immer nur eine Variante solcher chiralen Moleküle ein. Der neue Fund könnte klären helfen, warum dies so ist, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Das Leben ist asymmetrisch: Obwohl viele Biomoleküle in zwei spiegelbildlichen Varianten existieren, haben Organismen immer nur eines dieser sogenannte Enantiomere eingebaut: Proteine bestehen nur aus „linkshändigen“ Aminosäuren, das Grundgerüst unserer DNA basiert auf rechtshändigen Bausteinen. „Diese einseitige Chiralität ist eine der spannendsten Eigenschaften des Lebens, wie wir es kennen“, erklärt Seniorautor Geoffrey Blake vom California Institute of Technology in Pasadena.

Rätselhaft einhändig

Bis heute ist unklar, warum das Leben auf der Erde immer nur eine der beiden Formen solcher chiralen Moleküle einbaut. Beide Enantiomere besitzen die gleichen physikalischen Eigenschaften, weshalb es oft schwer ist, sie voneinander zu isolieren. Ihre chemischen Wechselwirkungen jedoch können sich deutlich unterscheiden. So kann eine Variante giftig sein, die andere ein wirksames Medikament, die eine reagiert mit einem Stoff, die andere nicht.

Theoretisch wäre es möglich, dass die ersten chiralen Biomoleküle von Beginn an nicht in gleichen Anteilen auf der Urerde existierten – beispielsweise weil Meteoriten oder die Urwolke schon in dieser Hinsicht chemisch asymmetrisch waren. Um jedoch zu wissen, ob das so war, muss man herausfinden, in welcher Form chirale Moleküle im Weltall vertreten sind.

Fahndung in heißer Molekülwolke

Um das herauszufinden, haben Blake, Erstautor Brett McGuire vom National Radio Astronomy Observatory in Charlottesville und ihre Kollegen nun eine der vielversprechendsten Quellen extraterrestrischer Moleküle ins Visier genommen: die Molekülwolke Sagittarius B2 im Zentrum der Milchstraße. In dieser Sternenbildungsregion wurden bereits verschiedene komplexe organische Moleküle nachgewiesen, darunter Alkohole, Aldehyde, Säuren, Ester und Alkylzyanide.

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Was ist Händigkeit und wie haben die Astronmoen sie beim im All entdeckten Propylenoxid nachgewiesen?© Science

Mit Hilfe des Green Bank Radioteleskops in Virginia analysierten die Forscher das Spektrum der Radiostrahlung, die von der Sagittarius-Wolke ausgeht, um darin nach bisher unbekannten Signaturen zu suchen. Die Position und Art der Linien im Radiospektrum wird dabei nicht nur von Form, Größe und Elementgehalt bestimmt, die Kombination der Spektrallinien verrät auch, ob das Molekül chiral ist.

Propylenoxid im kalten Gas

In den kühleren Außenregionen der Sagittariuswolke wurden die Astronomen fündig: Anhand des Spektrums wiesen sie die Präsenz der organischen und chiralen Verbindung Propylenoxid (CH3CHOCH2) in der Molekülwolke nach. „Dies ist das erste im interstellaren Raum entdeckte Molekül, das chiral ist“, sagt McGuire. „Und es ist eines der komplexesten Moleküle, die wir bisher im Weltraum entdeckt haben.“

Aus den bisherigen Spektralmessungen lässt sich noch nicht sagen, in welchen Mengenanteilen die beiden Enantiomere des Propylenoxids in der Wolke vorliegen und ob eine chirale Variante möglicherweise häufiger vorkommt als die andere. Doch die Forscher sehen den Nachweis dieser chiralen Verbindung als ersten wichtigen Schritt hin zu weiteren Erkenntnissen über die Rolle der Chiralität im Universum und für die Bildung von Leben.

Die Grundsturktur beider Enantionmere des Propylenoxids ist identisch, nur die dreidimenationale Anordnung der Atombindungen ist spiegelbildlich. © B. Saxton (NRAO/AUI/NSF)

An eisigen Staubkörnchen gebildet

Komplexe organische Moleküle können in Gaswolken wie Sagittarius B2 auf unterschiedliche Weise entstehen, wie die Astronomen erklären. Der einfachste Weg ist durch chemische Reaktionen in der Gasphase: Die Moleküle kommen in Kontakt, reagieren miteinander bilden so neue Verbindungen. Ab einer gewissen Größe jedoch, etwas ab der Größe von Methanol (CH3OH) wird dieser Prozess ineffektiv.

Die Astronomen vermuten daher, dass das jetzt nachgewiesene Proyplenoxid mit Hilfe von interstellaren Staubkörnchen entstanden ist: Vorstufen des Moleküls lagerten sich in der dünnen Eisschicht um diese Körnchen ab und reagierten dort miteinander zu den längeren Verbindungen. Später dann lösten sich die fertigen Moleküle wieder von den Staubkörnchen und wurden Bestandteile der Gaswolke.

„Indem wir solche chiralen Moleküle im Weltraum entdecken, können wir nun endlich erforschen, wie und wo sie entstehen“, sagt McGuire. „Das trägt dazu bei zu verstehen, welche Rolle sie für die Chiralität des Lebens spielen.“ Die Astronomen hoffen, als nächstes herausfinden zu können, ob eine chirale Variante des Propylenoxids in der Molekülwolke häufiger ist als die andere. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aae0328)

(California Institute of Technology/ NRAO/ AAAS, 15.06.2016 – NPO)

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