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Archäologie

Uropa der „Hobbitmenschen“ entdeckt

700.000 Jahre alte Fossilien könnten von den Vorfahren des Homo floresiensis stammen

Ein Schädel des Homo floresiensis mit dem in türkis einmontierten 700.000 Jahre alten Unterkiefer, daneben der Schädel eines modernen Menschen. © Kinez Riza

Sensationeller Fund: Forscher haben 700.000 Jahre alte Menschenfossilien auf der indonesischen Insel Flores entdeckt. Sie werfen ein neues Licht auf die rätselhaften „Hobbitmenschen“. Denn der Unterkiefer und die sechs Zähne stammen wahrscheinlich von den direkten Vorfahren des Homo floresiensis – und sie stützen die Theorie, dass diese seltsam kleinen Wesen sich aus dem Homo erectus entwickelten und nicht bloß krankhafte Missbildungen waren, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Seit der Entdeckung der ersten Homo floresiensis Fossilien gibt diese rätselhaft kleine Menschenart Rätsel auf. Denn die „Hobbitmenschen“ lebten noch vor rund 50.00 Jahren auf der Insel Flores – und damit fast zeitgleich mit den ersten modernen Menschen in der Region. Doch mit ihrem kleinen Gehirn und der Körpergröße eines Kindes schienen sie sehr viel primitiver als alle ihre Zeitgenossen.

Aufgrund dieser Diskrepanzen wird seit Jahren darüber gestritten, ob die „Hobbit“-Menschen eine eigene, vom Homo erectus abstammende Menschenart waren, die durch ihr Leben auf einer kleinen Insel Zwergenwuchs entwickelte oder ob diese Menschen einfach nur an einem Gendefekt oder sogar dem Downsyndrom litten.

Ein Unterkiefer und sechs Zähne

Mehr Klarheit liefert nun die Entdeckung neuer Menschenfossilien in Mata Menge, rund 70 Kilometer östlich des Fundorts der „Hobbitmenschen“ entfernt. Gerrit van den Bergh von der University of Wollogong und ihre Kollegen stießen in dieser Kalksteinhöhle auf den Teil eines Unterkiefers und sechs einzelne Zähne, die eindeutig von Frühmenschen stammten.

Dieses Fragment eines Unterkiefers ist 700.000 Jahre alt und könnte einem Vorfahren des Homo floresiensis gehören. © Kinez Riza

„Diese Fossilien sind unbestreitbar hominin und denen des Homo floresiensis bemerkenswert ähnlich“, erklärt Koautor Yousuke Kaifu vom Nationalen Naturkundemuseum in Tokio. Die Relikte besitzen zahlreiche Merkmale, die sich auch beim Homo erectus und dem Homo floresiensis finden. Die Zähne und der Unterkiefer sind allerdings sogar noch 20 Prozent kleiner als die Kiefer und Zähne der bisher bekannten „Hobbitmenschen“.

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Urväter der „Hobbits“?

Die Menschen, die vor rund 700.000 Jahren Flores besiedelten, waren demnach schon ähnlich zwergenhaft wie der Homo floresiensis und glichen zumindest in ihren Zahnmerkmalen sowohl diesem als auch dem viel größeren Homo erectus. Sie könnten daher eine Art Bindeglied in der Entwicklung der rätselhaften „Hobbitmenschen“ darstellen.

„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die mittelpleistozänen Homininen von Mata Menge direkte Vorfahren des Homo floresiensis von Liang Bua waren“, sagen die Forscher. Sollte es sich tatsächlich um die Urväter der „Hobbitmenschen“ handeln, dann könnten die neuen Fossilien wertvolle Hinweise darauf liefern, wie diese zwergenhaften Frühmenschen einst entstanden. Um das endgültig zu belegen, müssen aber weitere Teile von Schädel und Skelett dieser Menschenform gefunden werden.

So könnte der Homo floresienis ausgesehen haben © Kinez Riza

Auf der Insel gestrandet

Nach Ansicht der Forscher könnten die neuen Fossilien aber die Theorie stützen, dass der Homo floresiensis sich einst aus dem Homo erectus entwickelte. Dafür sprechen Gemeinsamkeiten mit Relikten des Homo erectus aus dieser Region. Auch der zeitliche Ablauf könnte passen: Die ältesten Funde des Homo erectus auf Java sind 1,2 Millionen Jahre alt, die ältesten Funde von menschlichen Steinwerkzeugen auf Flores sind rund eine Million Jahre alt.

Das legt nahe, dass etwa um diese Zeit einige Vertreter des Homo erectus auf der Insel Flores strandeten und dann isoliert auf der Insel lebten. Im Laufe der Zeit passten sie sich an ihre Umgebung an, indem sie immer kleiner wurden. Aus dem Homo erectus wurde der Homo floresiensis.

Ungewöhnlich schnelle Verzwergung

„Ziemlich unerwartet ist allerdings, dass die Vorväter des Homo floresiensis schon vor rund 700.00 Jahre ihre kleine Größe erreicht haben müssen, wie die Fossilien belegen“, sagt van den Bergh. „Der Homo floresiensis muss damit seine Zwergengröße schon während der ersten 300.000 Jahre auf der Insel entwickelt haben.“

Diese sehr schnelle Größenveränderung bei einem Homininen sei überraschend. Wie die Forscher erklären, sind von Primaten bisher keine Beispiele für eine so schnelle Inselverzwergung bekannt. Andererseits wisse man, dass beispielsweise Hirsche auf der Insel Jersey innerhalb von nur sechs Jahrtausenden auf ein Sechstel ihrer vorherigen Körpergröße schrumpften. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17999)

(Nature/ University of Wollogong, 09.06.2016 – NPO)

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