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Gesellschaft

Kinder von Berufspendlern haben mehr Probleme

Stress der Väter überträgt sich und hat emotionale und soziale Folgen für die Kinder

Täglich im Stau stehen auf dem Weg zur Arbeit - Berufspendler haben Stress. © 3dan3/ iStock.com

Pendeln beeinträchtigt die Kinder: Wenn Väter täglich lange Wege zur Arbeit zurücklegen müssen, dann stresst das nicht nur sie selbst. Auch ihre Kinder leiden messbar, wie nun eine in Deutschland durchgeführte Studie belegt. Fünf- bis sechsjährige Kinder von Berufspendlern leiden demnach häufiger unter emotionalen und sozialen Problemen – und das unabhängig davon, ob die Mutter ebenfalls arbeitet oder nicht.

Berufspendler haben es nicht leicht: Täglich stehen sie im Stau, warten auf verspätete Züge und verbringen wertvolle Zeit auf dem Weg von und zur Arbeit. Dass dies der Gesundheit der Pendler nicht gerade förderlich ist, belegte schon vor einigen Jahren eine Studie. Sie leiden demnach häufiger unter hohem Blutdruck und sind eher übergewichtig als Menschen mit einem kürzeren Arbeitsweg.

Aber wie wirkt sich das Pendeln beispielsweise von Vätern auf den Rest der Familie und im Speziellen auf die Kinder aus? Das haben Jianghong Li und Matthias Pollmann-Schult vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung nun in einer Studie an deutschen Berufspendlern untersucht.

Deutschland ist ein Land der Pendler

„Deutschland ist aus mehreren Gründen dafür ideal“, erklären die Forscher. Zum einen sind Pendler bei uns im Durchschnitt 44 Minuten oder 13 Kilometer täglich zu ihrer Arbeit oder nachhause unterwegs – wir sind damit nach den Niederlanden das Land mit der zweithöchsten Pendelzeit in Europa. Zum anderen ist in vielen Familien noch immer der Vater der traditionelle Geldverdiener, selbst wenn Mütter immer häufiger ebenfalls arbeiten.

Für ihre Studie werteten die Forscher Daten einer nationalen Langzeitstudie ausgewertet, in der seit 2008 jährlich das gesundheitliche und seelische Befinden, die Arbeit und das Einkommen von rund mehr als zehntausend Menschen erfasst wird. Die Wissenschaftler verglichen dabei gezielt die Zeitdauer des Pendelns bei Vätern von fünf bis sechsjährigen Kindern mit deren emotionalen und psychosozialen Verhalten und Wohlbefinden.

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Auch beim Pendeln per Zug geht wertvolle Zeit verloren. © Digital Vision/ iStock.com

Mehr soziale und emotionale Probleme

Das Ergebnis: „Das Pendeln des Vaters hatte einen relativ großen Effekt auf die Kinder, verglichen mit anderen arbeitsbedingten Faktoren“, berichten die Wissenschaftler. Unabhängig von der Arbeitszeit, der Bildung oder der Art der Arbeit, hatten Kinder pendelnder Väter mehr emotionale und soziale Probleme als ihre Altersgenossen. Dieser Effekt blieb nachweisbar, unabhängig davon, ob die Mutter berufstätig war oder nicht.

Konkret stellten die Forscher fest, dass Kinder häufiger Probleme mit Schul- oder Spielkameraden hatten, wenn ihr Vater täglich 40 Kilometer und mehr zur Arbeit zurücklegen musste. Die Kinder zeigten zudem weniger prosoziales Verhalten als Gleichaltrige mit nicht pendelnden Vätern, wie die Wissenschaftler berichten. Pendelten die Väter auf Wochenbasis und kehrten nur am Wochenende zur Familie zurück, häuften sich zudem emotionale Probleme der Kinder.

„Klare negative Auswirkungen“

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Pendeln der Eltern zur Arbeit negative Auswirkungen auf das soziale und emotionale Wohlergehen der Kinder haben“, konstatieren die Forscher. „Damit ist das Berufspendeln eine bisher unterschätzte Quelle von Konflikten im Kontext von Arbeit und Familie und sollte künftig in Forschung und Politik stärker beachtet werden.“

Interessanterweise scheint dabei aber nicht das Hauptproblem zu sein, dass die Väter durch das Pendeln weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen. „Wir haben festgestellt, dass die mit den Kindern verbrachte Zeit der Eltern die Auswirkungen des Pendelns auf das emotionale und soziale Wohlbefinden der Kinder kaum beeinflusste“, berichten Li und Pollmann-Schult.

Stress überträgt sich

Stattdessen scheint es eher der Stress des Vaters zu sein, der sich auf die restliche Familie überträgt. „Frühere Studien haben Arbeitsstress und dadurch verstärkte Konflikte in der Familie bereits mit Verhaltensproblemen von Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht“, so die Forscher. „Es ist daher plausibel, dass auch das Berufspendeln das Verhalten der Kinder durch seinen Einfluss auf das Verhalten der Eltern und ihre Erziehung beeinträchtigt.“

Ist der Vater durch das Pendeln gereizt, gestresst und müde, führt dies häufiger zu einem gereizten Familienklima und eher harschen und nicht konsistenten Reaktionen der Eltern auf ihre Kinder. Umgekehrt kann das wochenweise Pendeln zu stärkerer emotionaler Belastung und zu Stress bei der Mutter führen, weil diese während der Woche quasi alleinerziehend ist, wie die Forscher erklären. Auch das wirkt sich dann negativ auf ihren Erziehungsstil und das Befinden der Kinder aus. (Journal of Family and Economic Issues, 2016; doi: 10.1007/s10834-015-9467-y)

(Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH, 24.05.2016 – NPO)

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