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Archäologie

Schweizer Bergkäse gibt es schon seit der Eisenzeit

Käsereste in 3.000 Jahre alten Tonscherben belegen frühe Almwirtschaft in den Alpen

Rinder auf einer Hochalm: Ihre Vorfahren könnte schon zur Eisenzeit Milch für Bergkäse geliefert haben. © Madeleine Schäfer/ CC-by-sa 3.0

Prähistorische Almwirtschaft: Schon vor fast 3.000 Jahren stellten Menschen auf den Hochalmen der Schweizer Alpen Käse her. Das belegen Käserückstände, die Archäologen an Gefäßscherben aus vorzeitlichen Ruinen im Gebirge entdeckten. Ähnlich wie noch heute zogen die Menschen der Eisenzeit demnach im Sommer mit ihren Kühen, Schafen und Ziegen auf die Almen und produzierten dort aus der Milch Käse.

Die Idee, Milch durch die Herstellung von Käse haltbar zu machen, ist schon alt: In Asien begrub man Tote schon vor 4.000 Jahren mit Käseproviant als Grabbeigabe und für die Erbauer von Stonehenge waren Milch und Käse Teile des Rituals. Unklar blieb jedoch bisher, ab wann die Menschen begannen, echte Almwirtschaft zu betreiben und im Sommer mit Milchvieh in die höheren Lagen der Alpen zu ziehen.

Scherbenfund im Hochgebirge

Franceso Carrer von der Newcastle University und seine Kollegen haben dazu nun eine wichtige Entdeckung gemacht. Für ihre Studie hatten sie 30 Gefäßscherben aus dem fünften bis ersten Jahrtausend vor Christus analysiert, die an sechs verschiedenen Orten im Engadin in den Schweizer Alpen ausgegraben worden waren.

„Diese Region besitzt Hochtäler in 1.000 Metern Höhe und Almen, die zwischen 2.000 und 2.800 Metern hoch liegen“, berichten die Forscher. Die Scherben wurden in steinzeitlichen Felsunterständen und in bronze- und eisenzeitlichen Ruinen von Steinhütten gefunden. An den Gefäßscherben klebten organische Rückstände, die die Wissenschaftler vorsichtig ablösten und chemisch analysierten.

In diesen eisenzeitlichen Hüttenresten auf einer Schweizer Hochalm fanden die Forscher Indizien für eine Käseherstellung. © Carrer et l./ PLoS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0151442.g001

Bergkäse aus der Eisenzeit

Das Ergebnis: Die meisten Rückstände auf den Scherben aus der Stein- und Bronzezeit erwiesen sich als tierische Fette, wie sie beispielsweise beim Kochen von Fleisch zurückbleiben. Die darin enthaltenen Kohlenstoff-Isotope deuten darauf hin, dass die Menschen damals das Fleisch von domestizierten oder wilden Pflanzenfressern in den Töpfen zubereiteten, wie Carrer und seine Kollegen berichten.

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Anders dagegen die Scherben aus der rund 3.000 Jahre alten Eisenzeit-Ruine aus Val Fenga: In ihnen fanden die Wissenschaftler die gleichen Moleküle, wie sie auch heute noch entstehen, wenn Milch erhitzt wird und unter Enzymeinfluss zu Frischkäse gerinnt. Sie schließen daraus, dass die Bewohner der Almhütte schon damals dort Käse produzierten. „Die Milchwirtschaft in großer Höhe muss sich in den zentralen und östlichen Alpen während der Eisenzeit ausgebreitet haben“, so die Forscher.

Aus den Tälern verdrängt?

Für die eisenzeitlichen Almhirten war dies kein einfacher Job: „Selbst heute erfordert das Käsemachen im Hochgebirge einen enormen Aufwand“, erklärt Carrer. „Die prähistorischen Hirten müssen die Lage der Gebirgsalmen genau gekannt haben und über das technologische Wissen verfügt haben, wie man Milch in den nahrhaften und haltbaren Käse umwandelt.“

Die Forscher vermuten, dass die Bewohner der Region die Almwirtschaft damals eher aus Not begannen: Weil die Bevölkerung in den Tälern immer mehr wuchs und immer mehr Vieh gehalten wurden, begannen die Weideflächen im Tal knapp zu werden. Um dem zu entgehen, zogen einige mit ihren Tieren zumindest zeitweise auf die Hochalmen.

„Eine lange Tradition“

Noch ist unklar, ob die eisenzeitlichen Käsemacher nur die Milch einer Tierart verwendeten oder eine Mischung beispielsweise von Kuh- und Schafsmilch. Auch wie lange sie ihren Käse reifen ließen, lässt sich aus den Scherben-Rückständen nicht entnehmen. Klar ist jedoch nun, dass der Schweizer Bergkäse schon eine sehr lange Geschichte hat.

„Unsere Studie zeigt, dass die Ursprünge des Bergkäses bis in vorgeschichtliche Zeit zurückverfolgt werden können“, konstatieren Carrer und seine Kollegen. „Das unterstreicht die Anpassungsfähigkeit und Persistenz der Almwirtschaft, die bis heute überdauert hat.“ (PloS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0151442)

(Newcastle University, 25.04.2016 – NPO)

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