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Archäologie

Steinzeitliche Phallus-Bildnisse: Doch kein Menschenwerk

Vermeintliche Ritzzeichnungen sind auf natürliche Weise entstanden

3D-Scans offenbarten: Die vermeintlichen Fruchtbarkeitsbilder in der Mäanderhöhle sind doch kein Menschenwerk © Andreas Pastoors

Widerlegte Sensation: Die vermeintlich ältesten Belege von steinzeitlichen Höhlenbildern in Deutschland sind doch kein Werk unserer Vorfahren. Stattdessen sind die Ritzungen wohl auf natürliche Weise entstanden, wie Forscher nun berichten. Sie haben die 2005 in der Nähe von Bamberg entdeckten Linien erneut untersucht und stellten fest: An der Entstehung der als Fruchtbarkeitsbilder interpretierten Zeichnungen waren keine menschlichen Werkzeuge beteiligt.

Unsere Vorfahren begannen schon vor mehr als 40.000 Jahren damit, einfache Bilder und Symbole an Höhlenwände zu ritzen und zu malen. Wissenschaftler entdeckten die bisher ältesten Höhlengemälde vor einigen Jahren im Norden Spaniens. Zu den frühesten Belegen solcher Zeichnungen in Deutschland gehören nach bisheriger Annahme hingegen weitaus jüngere Kunstwerke: etwa 14.000 bis 16.000 Jahre alte Ritzungen in der Mäanderhöhle bei Bamberg.

Vermeintlicher Sensationsfund

Bei den Bildnissen soll es sich um von Menschenhand eingravierte Fruchtbarkeitsdarstellungen handeln. Sie zeigen wohl einen Phallus und abstrakte Frauenfiguren – so lautete zumindest die Interpretation der Höhlenforscher, die die Zeichnungen im Jahr 2005 in einer der Räume in der etwa 75 Meter langen Höhle entdeckten. Auf kugeligen Ablagerungen von Mineralien, sogenannten Cave Clouds, fanden sie eine ganze Reihe von Linien, die sie für menschliche Kunstwerke hielten. Doch was für die Experten damals noch eine Sensation war, erweist sich nun als Fehlinterpretation.

Zu diesem Ergebnis kommt Julia Blumenröther von der Alexander-Universität Erlangen Nürnberg. In zwei Feldkampagnen untersuchte die Studentin für ihre Masterarbeit zusammen mit Wissenschaftlern vom Neanderthal Museum in Mettmann erneut die 138 Linien aus der Mäanderhöhle, die als von Menschen gemacht galten. „Wären dies Zeugnisse von Menschenhand, so hätte es eindeutige Spuren vom Einsatz steinzeitlicher Werkzeuge und auch vergleichbare Darstellungen an anderen Orten geben müssen“, erklärt das Team.

Erneute Analyse

Für die Dokumentation und Analyse der Linien in der oberfränkischen Höhle setzten Blumenröther und ihre Kollegen auf eine breite Auswahl archäologischer Untersuchungsmethoden. Um Tiefe und Form der Linien zu untersuchen, kamen auch neue Technologien wie digitale Mikroskopie und 3D-Streiflichtscans zum Einsatz.

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Ritzungen unter der Lupe: Die Forscher untersuchten die Linien in der Höhle mit einem 3D-Scanner © Karina Rottner

Die dabei gemachten digitalen Aufnahmen von Querschnitt und Verlauf der Linien verglichen die Forscher nicht nur mit Ritzlinien anderer Höhlenbildnisse, sondern auch mit im Labor hergestellten. Dazu ließen sie Ritzungen auf aus der Höhle entnommenen Proben des Mineralgesteins mit extra hergestellten Steinsticheln anbringen.

Werk der Natur

Die genaue wissenschaftliche Untersuchung führte letztendlich zu einem ernüchternden Ergebnis: Menschen sind wohl nicht an der Entstehung der Linien in der Mäanderhöhle beteiligt gewesen. „Die Analyse hat gezeigt, dass Verlauf und Querschnitt sämtlicher Linien der These einer von Menschenhand erzeugten Gravur mit einem spitzen und harten Gegenstand widersprechen. Zudem ergibt sich aus keiner der 138 Linien ein irgendwie bekanntes altsteinzeitliches Motiv“, sagt Blumenröther.

Demnach scheint klar: Die vermeintlichen Fruchtbarkeitsbildnisse sind auf natürliche Weise entstanden. „Die Mäanderhöhle ist mit ihren Cave Clouds für die Höhlenforschung sicherlich sehr interessant, kann aber nicht als die erste altsteinzeitliche Bilderhöhle Deutschlands angesehen werden.“

(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 18.04.2016 – DAL)

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