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Astronomie

Hyperschneller Doppelstern gibt Rätsel auf

Rasendes Sternenpaar könnte Ausreißer aus fremder Galaxie sein

Position und mögliche Flugbahn von PB3877 - er rast durch den Außenbereich der Milchstraße. © Thorsten Brand

Überraschende Entdeckung: Ein extrem schnell durch die Milchstraße rasender Stern ist in Wirklichkeit ein Sternenpaar – das erste bekannte unter diesen hyperschnellen Ausreißer-Sternen. Das Spannende daran: Dieses Sternenpaar kann durch keinen der gängigen Prozesse so stark beschleunigt worden sein. Was diesen Doppelstern auf Tempo brachte, ist daher noch rätselhaft. Er könnte sogar extragalaktischen Ursprungs sein, spekulieren die Astronomen.

Normalerweise bewegen sich Sterne in unserer Milchstraße eher gemächlich auf ihren festen Bahnen. Doch es gibt Ausreißer – massereiche, heiße Sterne, die mit mehr als einer Million Kilometern pro Stunde durch die Galaxie rasen. Die meisten von ihnen wurden vom Schwarzen Loch im galaktischen Zentrum so stark beschleunigt., es gibt jedoch auch hyperschnelle Sterne, die von einer Supernova auf Touren gebracht wurden, wie sich 2015 zeigte.

Einer dieser hyperschnellen Ausreißern passt jedoch in keines dieser Erklärungsmodelle: der 2011 entdeckte Stern PB3877. Er rast mit mehr als zwei Millionen Kilometer pro Stunde durch die Außenbereiche unserer Milchstraße und scheint damit auf den ersten Blick keine großen Besonderheiten zu besitzen.

Paar statt Einzelgänger

Doch als Peter Nemeth von der Universität Erlangen-Nürnberg und seine Kollegen ihn mit Hilfe des Keck-II-Teleskops auf Hawaii erstmals eingehender beobachteten, entdeckten sie Seltsames: „Als wir uns die Spektraldaten anschauten, sahen wir schwache Absorptionslinien, die nicht von diesem heißen Stern stammen können“, berichtet Thomas Kupfer vom California Institute of Technology.

Die einzige Erklärung dafür: Der Ausreißer PB3877 muss einen kleineren und kühleren Begleiter haben. „Diese beiden Sterne bilden damit ein Doppelsternsystem – das erste das wir bei solchen hyperschnellen Sternen entdeckt haben“, so Kupfer. Denn bisher sind zwar rund zwei Dutzend dieser Rader-Sterne bekannt, aber alle sind strikte Einzelgänger.

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Die meisten bisher bekannnten Raser-Sterne wurden durch das zentrale Schwarze Loch beschleunigt. Das Hubble-Weltraumtelekop hat hier vier von ihnen bei der Passage durch interstellare Wolken eingefangen. © NASA/ ESA, and R. Sahai (NASA's Jet Propulsion Laboratory)

Was brachte ihn auf Tempo?

Ein Doppelstern als Ausreißer – das stellt die Astronomen vor ein Rätsel. „Wir können uns keinen Mechanismus vorstellen, der es ermöglicht, ein Doppelsternsystem auf eine so hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen, ohne es dabei zu zerstören“, erklärt Nemeth. Wenn sich ein solcher Doppelstern dem Schwarzen Loch der Milchstraße nähert, würden ihn die gewaltigen Kräfte auseinanderreißen: Ein Stern würde verschluckt, der andere weggeschleudert.

Zudem spricht die Flugbahn des Sterns gegen dieses klassische Modell: „Sehr wahrscheinlich ist PB3877 in der Vergangenheit nie auch nur in die Nähe des galaktischen Zentrums gekommen“, sagt Nemeths Kollegin Eva Ziegerer. Auch eine Sternenkollision oder eine Supernova schließen die Forscher aus, denn sie würden das Sternenpaar ebenfalls auseinanderreißen.

Ursprung extragalaktisch?

Was aber könnte dann den Doppelstern so stark beschleunigt haben? Die Astronomen vermuten, dass PB3877 ein Eindringling aus einer anderen Galaxie sein könnte. „In den Randgebieten der Galaxis befinden sich viele Sternströme, die vermutlich Überreste von Zwerggalaxien sind“, sagt Nemeth. Von dort könnte der Doppelstern, allmählich beschleunigt, seinen Weg in unsere Galaxie gefunden haben.

Ob das wirklich stimmt und aus welchem Sternenstrom PB3877 stammt, lässt sich auf Basis der bisherigen Daten jedoch nicht eindeutig feststellen. Daher bleibt der Ursprung des Doppelsterns weiter unklar. Die Forscher wollen nun den hyperschnellen Doppelstern noch weiter beobachten, gleichzeitig hoffen sie, künftig noch weitere Vertreter seiner Art zu entdecken.

„Wenn wir weitere Doppelsterne oder auch einzelne Ausreißer auf ähnlichen Flugbahnen finden, könnte dies einen extragalaktischen Ursprung bestätigen“, sagt Nemeth. „Unsere Suche nach ähnlichen Fremdlingen wird daher weitergehen.“ (The Astrophysical Journal Letters, 2016; doi: 10.3847/2041-8205/821/1/L13)

(Universität Erlangen-Nürnberg / California Institute of Technology, 14.04.2016 – NPO)

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