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Biologie

Baum des Lebens wird umgebaut

Zwei von drei Ästen im neuen Stammbaum umfassen nur Bakterien

Der neue Baum des Lebens: Der gesamte obere Teil umfasst nur Bakterien. Eukaryoten bilden nur den grünlichen Seitenast ganz unten. © Zosia Rostomian/ Lawrence Berkeley National Laboratory

Die wirklichen Herrscher unseres Planeten sind nicht wir, sondern die Bakterien. Neue DNA-Analysen enthüllen, dass Mikroben zwei der drei großen Äste im Baum des Lebens bilden – und dass alle Tiere und Pflanzen zusammen nur einen Bruchteil des dritten Asts einnehmen. Einer der drei Hauptäste im Stammbaum setzt sich zudem komplett aus Bakterien zusammen, von denen wir bisher nur ihre DNA kennen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Microbiology“ berichten.

Sie sind die Dunkle Materie der Biologie: Mikroorganismen stellen 70 Prozent der Biomasse auf unserem Planeten – doch erforscht und bekannt ist erst ein Bruchteil von ihnen. Einer der Gründe dafür: Viele Bakterien sind bisher unbekannt, unzählige weitere lassen sich nicht im Labor kultivieren. Kein Wunder, dass sie bisher im Baum des Lebens extrem unterrepräsentiert waren.

Überall unbekannte Mikroben

Erst durch den Einsatz moderner DNA-Analysen beginnen Forscher zu erahnen, wie groß die wahre Vielfalt der Bakterien und Archaeen tatsächlich ist. Denn wo immer Biologen Proben nehmen – ob in der Wüste, der Tiefsee, in toxischen Säureseen oder in vulkanischen Schloten, finden sie die genetischen Spuren bislang völlig unbekannter Mikrobenarten.

Entdeckt wurden die zuvor unbekannten Bakterienarten an ganz verschiedenen Probenorten - von heißen Quellen über die Wüste bis hin zum Maul von Delfinen. © Laura Hug

„Es wird offensichtlich, dass ein Großteil der Artenvielfalt von Stammbaumlinien kommt, von denen wir nur die Gensequenzen kennen“, erklärt Erstautorin Laura Hug von der University of California in Berkeley. „Wir haben nur ihre Blaupausen und kennen allenfalls Teile ihres Stoffwechsels.“ Selbst in so alltäglichen Umgebungen wie unseren Kaffeemaschinen, unseren Wasserleitungen oder auf unserem eigenen Körper haben Forscher inzwischen Myriaden von unbekannten Bakterienarten entdeckt.

Neuer Stammbaum des Lebens

Hug und ihre Kollegen haben nun die Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen, und auf Basis der bekannten Organismengenome und von 1.011 neuentdeckten Gensignaturen einen neuen Baum des Lebens zusammengestellt. Insgesamt zeigt der neue Stammbaum die Verwandtschaftsverhältnisse von mehr als 3.000 Gattungen – einer aus jeder Gruppe, für die es Gendaten gibt.

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Der neue Baum des Lebens bietet einen ungewohnten Anblick. Denn die uns bekannte Organismenwelt aus Tieren, Pflanzen und andere zellkerntragenden Lebewesen, machen nur einen kleinen Seitenast im dreiteiligen Stammbaum aus – und den teilen wir uns noch dazu mit den Archaeen. Der gesamte Rest jedoch wird von einzelligen Mikroorganismen eingenommen.

Die "Candidate Phyla Radiation" bildet einen ganz neuen Ast am Stammbaum - und könnte einer der artenreichsten sein. © Zosia Rostomian/ Lawrence Berkeley National Laboratory

Ein ganzer Ast nur aus unbekannten Organismen

Bakterien aus bisher bereits bekannten Gruppen machen einen der Großäste des neuen Stammbaums aus, einen weiteren Ast bildet die sogenannte „Candidate Phyla Radiation“. In ihr sammeln sich fast ausschließlich symbiontische, nur durch ihre DNA bekannte Lebensformen, wie die Forscher berichten. Dieser neue Ast könnte die Hälfte aller Bakterien auf der Erde umfassen.

„Dies ist der erste genbasierte Stammbaum, der diese unkultivierbaren Organismen mit umfasst“, erklärt Koautorin Jill Banfield von der University of California. „Er enthüllt den gewaltigen Umfang dieser bisher kaum erforschten Stammeslinien. Denn sie stellen die Mehrheit der irdischen Artenvielfalt – die Candidate Phyla Radiation allein umfasst mehr Diversität als alle anderen Bakterien zusammen.“

Der neue Baum des Lebens eröffnet eine ganz neue Perspektive darauf, wer tatsächlich die erfolgreichsten Organismengruppe auf diesem Planeten ist. „Dieser Stammbaum gibt uns einen ganz neuen Blick auf die Geschichte des Lebens“, sagt Banfield. (Nature Microbiology, 2016; doi: 10.1038/nmicrobiol.2016.48)

(University of California – Berkeley, 12.04.2016 – NPO)

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