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Medizin

Forscher erzeugen erstmals haploide Stammzellen

Stammzellen mit einfachem Chromosomensatz geben neuen Einblick in menschliche Genetik

Haploide Zelle mit nur 23 Chromosomen (links) und normale, dioploide Zelle mit 46. © Gloryn Chia/ Columbia University Medical Center

23 statt 46: Erstmals ist es Forschern gelungen, embryonale Stammzellen mit einem nur einfachen Chromosomensatz zu erzeugen. Diese Zellen sind damit haploid, eine Eigenschaft, die sonst nur Ei- und Spermienzellen besitzen. Der große Vorteil: Weil von jedem Genbuchstaben nur eine Kopie vorhanden ist, ist es einfacher, die Wirkung von Mutationen zu erforschen – oder sie auszulösen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Unsere Körperzellen tragen normalerweise den doppelten Chromosomensatz, eine Hälfte stammt von der Mutter, die andere vom Vater. Dadurch existieren von jedem Gen zwei Kopien. Anders dagegen in unseren Keimzellen, den Eizellen und Spermien. Sie besitzen nur 23 Chromosomen, den einfachen Satz. Dafür können sich diese haploiden Zellen nicht weiter teilen, stattdessen verschmelzen sie bei der Befruchtung und erzeugen so die diploiden Zellen eines neuen Embryos.

Auch die aus befruchteten Eizellen gewonnenen embryonalen Stammzellen sind diploid. Ihr doppelter Erbgutsatz macht es in manchen Fällen schwer, Mutationen ausfindig zu machen oder das Genom zu verändern – denn immer existiert eine Kopie des Genbuchstabens, die für die Auswirkungen ebenfalls eine Rolle spielt.

„Halber“ Chromosomensatz

Ido Sagi von der Hebräischen Universität Jerusalem und seine Kollegen ist es nun erstmals gelungen, haploide embryonale Stammzellen zu erzeugen. Sie nutzen dafür unbefruchtete menschliche Eizellen, die sie mit Hilfe chemischer Trigger und einem leichten Elektroschock dazu brachten, sich zu teilen. Aus diesen Zellteilungen gingen größtenteils diploide Stammzellen hervor, zwischen denen aber auch haploide Exemplare lagen.

In den Körperzellen tragen wir normalerweise 46 Chromosomen - 23 Paare. © NIH

Die Forscher isolierten diese haploiden embryonalen Stammzellen und etablierten damit eine sich vermehrende Zellkultur. Wie Versuche ergaben, sind auch diese Stammzellen mit „halbem“ Chromosomensatz pluripotent und besitzen damit die Fähigkeit, sich in alle Zelltypen und Gewebe zu differenzieren.

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Genetisches Eigenleben

Interessanterweise sind diese Stammzellen jedoch mehr als nur einfach die Hälfte des Ganzen: Ihre Genaktivität unterscheidet sich deutlich von der diploider Stammzellen, wie die Forscher berichten. So sind einige Gene deutlich aktiver, das X-Chromosom ist dagegen weitgehend stummgeschaltet – wie es sonst nur bei männlichen Körperzellen der Fall ist. Da diese Stammzellen jedoch von einer Frau stammen, müsste es aktiv sein.

„Diese Zellen werden der Forschung ein ganz neues Werkzeug liefern, um die menschliche Entwicklung zu verstehen – und auch die Gründe, warum wir uns sexuell fortpflanzen statt parthenogenetisch“, erklärt Seniorautor Nissim Benvenisty von der Hebräischen Universität Jerusalem. Zudem macht das Vorhandensein von jeweils nur einer Genkopie es leichter, die Wirkung von Mutationen zu studieren.

Aber auch für die Gentherapie könnten die haploiden Stammzellen nützlich sein: „Einer der größten Vorteile bei der Nutzung haploider Stammzellen ist, dass ihr Genom sehr viel einfacher zu verändern ist“, erklärt Sagi. Das könnte es künftig erleichtern, beispielsweise schädliche Mutationen mittels Gentechnik zu reparieren und es vereinfacht die Kultivierung von Zelllinien, die genetisch absolut identisch sind. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17408)

(Columbia University Medical Center, 17.03.2016 – NPO)

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