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Materialforschung

Forscher erzeugen dünnste Linse der Welt

Linse aus Molybdän-Disulfid ist nur wenige Atomlagen dick, aber sehr brechungsstark

Die Linse (vioeltt) ist so klein, dass sie nur im Spezialmikroskop sichtbar ist © Stuart Hay/ ANU

2.000 Mal dünner als ein menschliches Haar: Forscher haben erstmals eine optische Linse erzeugt, die nur gut sechs Nanometer dick ist. Sie ist damit die dünnste Linse der Welt. Die aus einem Molybdän-Disulfid-Kristall bestehende Linse besitzt einen sehr hohen Brechungsindex und übertrifft dadurch in ihrer optischen Wirkung selbst deutlich dickere Linsen aus Nanogold, wie die Wissenschaftler berichten.

Wie gut ein Material Licht bricht und auf welche Wellenlängen es wirkt, hängt von seiner Kristallstruktur ab. So gibt es inzwischen Metamaterialien, die Licht sogar kurzzeitig stoppen können. Gerade für Hightech-Komponenten sind dagegen sogenannte chalkogenide Gläser beliebt. Sie bestehen aus chemischen Verbindungen, die ja nach Zustand ihre optischen und elektrischen Eigenschaften verändern können.

Blättriger Kristall als Ausgangsmaterial

Yuerui Lu von der Australian National University in Canberra und seine Kollegen haben nun eine kristalline Verbindung aus der Klasse der Chalkogenide genutzt, um daraus ihre ultradünne Linse zu erzeugen: Molybdän-Disulfid. „Molybdän-Disulfid ist ein erstaunlicher Kristall, er übersteht selbst hohe Temperaturen, ist ein Schmiermittel, ein guter Halbleiter und kann sogar Photonen emittieren“, erklärt Lu.

Ein weiterer Vorteil: Molybdän-Disulfid besitzt ähnlich wie Graphit eine Kristallstruktur, bei der die einzelnen Atomlagen nur lose miteinander verbunden sind. Mit einem Klebeband lassen sich daher extrem dünne Schichten abziehen. Auf diese Weise erzeugten die Forscher eine 6,3 Nanometer dünne und nur neun Atomlagen umfassende Schicht des Molybdän-Disulfids.

Der Molybdän-Disulfid -Kristall ist ähnlich wie Graphit aus nur lose verbundenen Schichten aufgebaut. © Orci/ CC-by-sa 3.0

Durch einen fokussierten Ionenstrahl trugen Lu und seine Kollegen davon solange Atome ab, bis der Kristall die typische Linsenform bekam. Als Ergebnis erhielten sie eine zehn Mikrometer große, nur wenige Nanometer dünne konkave optische Linse. Sie ist nur ein Zweitausendstel so dick wie ein menschliches Haar und damit kleiner als jede andere bisher hergestellte Linse.

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Hoher Brechungsindex

Der Clou jedoch sind die optischen Eigenschaften dieser Linse: Der Brechungsindex von Molybdän-Disulfid liegt bei 5,5 und ist damit mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise der des Diamants. Wie die Forscher feststellten, wirkt eine 0,7 Nanometer dünne Atomlage dieses Kristalls auf das Licht wie eine 50 Mal dickere Schicht mit niedrigerem Brechungsindex – es besitzt damit eine große optische Pfadlänge.

„Zu Anfang konnten wir uns nicht erklären, warum das Molybdän-Disulfid solche überraschenden optischen Eigenschaften hat“, sagt Lu. Doch eine auf der Kristallstruktur basierende physikalische Simulation ergab, dass das Licht in den Schichten dieses Kristalls vielfach hin und her gespiegelt wird, bevor es wieder austritt. Dadurch kommt die ungewöhnlich große optische Pfadlänge zustande.

Ganz neue Anwendungen möglich

„Dieses Material ist damit ein perfekter Kandidat für künftige flexible Displays“, erklärt Lu. „Die Fähigkeit, den Lichtfluss auf atomarer Ebene zu manipulieren eröffnet einen spannenden Weg hin zu einer beispiellosen Miniaturisierung optischer Komponenten.“ Solche Linsen könnte beispielsweise in Computerdisplays verbaut werden, aber auch in Miniaturkameras oder synthetischen Komplexaugen von Miniaturdrohnen.

Neben den günstigen optischen Eigenschaften dieses geschichteten Kristalls kommt ein weiterer Vorteil hinzu, wie die Forscher erklären: Ähnlich wie bei anderen Chalkogeniden lässt sich die Kristallstruktur und damit auch der Brechungsindex durch elektrischen Strom verändern. „Das wird die Anwendung für einstellbare, atomdünne optische Komponenten ermöglichen, darunter Linsen mit elektrisch veränderbaren Brennweiten oder elektrisch einstellbare, ultrapräzise Phasenverschieber“, so die Forscher. (Light: Science and Applications, 2016; doi: 10.1038/lsa.2016.46)

(Australian National University, 15.03.2016 – NPO)

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