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Evolution

Ebnete Fleisch den Weg zum Menschen?

Wandel des Speiseplans und Werkzeuge machten unsere Vorfahren menschenähnlicher

Der Homo erectus profitierte wahrscheinlich davon, dass er mehr Fleisch aß als seine Vorgänger. © Ökologix/ gemeinfrei

Fleisch war ihr Gemüse: Erst das Fleischessen und Zerkleinern der Nahrung brachte unsere Vorfahren voran – und ebnete den Weg zur Entwicklung des Menschen. Denn wie US-Forscher herausfanden, spart schon ein Drittel Fleischanteil auf dem Speiseplan viel Kraft und machte große Zähne und kräftige Kaumuskeln überflüssig. Das wiederum schuf die Voraussetzungen für ein flaches Gesicht, die Sprache und ein großes Gehirn, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Für unsere nächsten Verwandten, Gorillas und Schimpansen, ist Fressen eine tagesfüllende Beschäftigung. Ihre Pflanzenkost hat meist eine geringe Energiedichte und muss zudem gründlich zerkaut werden, damit die Verdauungsenzyme sie aufschließen können. Als Folge besitzen sie kräftige Zähne, Kiefer und Kaumuskeln, ähnlich wie noch unsere vormenschlichen Vorfahren.

Schon länger vermuten Anthropologen daher, dass erst eine Umstellung des Speiseplans auf mehr Fleisch unseren Vorfahren die nötigen Kalorien lieferte, um ein größeres, energiehungriges Gehirn zu entwickeln. Die Erfindung von Werkzeugen und später des Kochens gab ihnen dann einen weiteren Schub, denn dadurch wurde die Nahrung noch leichter verdaubar.

Fleisch hat eine höhere Enegiedichte als die meisten Pflanzen, das kam auch unseren Vorfahren zugute. © a namenko/ iStock.com

Zurück in die Vorzeit

Daniel Lieberman und Katherine Zink von der Harvard University liefern für diese Hypothese nun einen weiteren Beleg. Denn sie haben in einem Experiment untersucht, ob und wie stark ein höherer Fleischanteil und das Zerkleinern der Nahrung mit Werkzeugen den Kraftaufwand des Kauens verringert. Das wiederum macht starke Kiefer und Kaumuskeln überflüssig und ebnet den Weg zu einem flacheren, menschenähnlicheren Gesicht – wie es der Homo erectus besaß.

Für ihre Studie versetzen die Forscher ihre Versuchspersonen in eine Zeit vor rund zwei Millionen Jahren. Sie ließen sie entweder rohes Wurzelgemüse oder rohes Ziegenfleisch kauen und beobachteten, wie gut zerkleinert die Nahrung nach einer bestimmten Zahl von Kaubewegungen war. Außerdem maßen sie mit Sensoren die Kraft, die die Probanden beim Kauen aufbringen mussten – und wie viel Energie gespart wurde, wenn das Fleisch oder Wurzelgemüse zuvor durch Zerklopfen oder Zerschneiden zerkleinert wurde.

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Fleisch spart Kraft und bringt mehr Energie

Das Ergebnis: Die Probanden hatten deutlich mehr Mühe, auf den harten Wurzeln herumzukauen als auf dem rohen Fleisch. Pro Kilokalorie benötigten sie 46 Prozent mehr Kraft und mussten 39 Mal mehr zubeißen, um das Gemüse ähnlich gut aufzuschließen, wie die Forscher berichten. Für unsere Vorfahren bedeutete dies: Aßen sie das ohnehin energiedichtere Fleisch, gewannen sie mit weniger Aufwand deutlich mehr Energie.

Die Erfindung von Werkzeugen zum Zerkleinern der Nahrung brachte die Entwicklung weiter voran. © Discott/ CC-by-sa 3.0

Aber das alleine reichte noch nicht: Im Gegensatz zu Raubtieren sind die flachen Kronen unserer Zähne nicht sonderlich gut für das Zerkauen von rohem Fleisch geeignet. Denn dieses ist eher zäh und gummiartig: „Wenn Sie Leuten rohes Ziegenfleisch geben, dann kauen sie und kauen und am Ende ist noch immer der größte Teil des Brockens unzerkleinert – es ist ein wenig wie Kaugummi“, so Lieberman.

Zerkleinern macht besser verdaulich

Hier könnte unseren Vorfahren ihr Geschick mit Werkzeugen zu Hilfe gekommen sein: Im Experiment zeigte sich, dass rohes Fleisch erheblich leichter zu kauen ist, wenn es zuvor mit simplen Steinwerkzeugen zerklopft oder zerschnitten wird. Die Probanden benötigten weniger Kaubewegungen und weniger Kraft – und diese Vorteile des Zerkleinerns waren beim Fleisch sogar ausgeprägter als beim Gemüse.

Das aber bedeutet, dass unserer Vorfahren keine kräftigen Kiefer und Kaumuskeln mehr benötigten und diese mit der Zeit reduzierten. Damit wurden ihre Gesichter flacher und menschenähnlicher. Und noch etwas kam hinzu: Durch das vorherigen Zerkleinern konnten sie das Fleisch in kleinere Stückchen zerkauen. Dadurch wurde es besser verdaulich und seine Energie wurde besser und vollständiger aufgeschlossen. Dies setzte Energie frei, die ein größeres Gehirn ernähren konnte.

Zwei Millionen Mal weniger gekaut

Zusammen könnten die Vorteile dieser Ernährungsumstellung beträchtlich gewesen sein: Wenn der Homo erectus rund ein Drittel seiner täglichen Kalorien als Fleisch aß und dieses mit Steinwerkzeugen zerkleinerte, dann benötigte er 15 Prozent weniger Kraft als bei Rohkost und kaute im Jahr rund zwei Millionen Mal weniger, wie die Forscher ausrechneten.

„Das Essen von Fleisch und das Vorbehandeln der Nahrung mit Werkzeugen machte Schlüsselentwicklungen des Menschen möglich“, sagt Zink. Erst dadurch entwickelten unsere Vorfahren kleinere Zähne und Kiefer und ein flacheres Gesicht. Das wiederum schuf die Voraussetzungen, um zu sprechen und ein größeres Gehirn zu entwickeln. „Wir sind, was wir sind auch, weil wir weniger kauen müssen“, sagt Lieberman. (Nature, 2016; doi 10.1038/nature16990)

(Harvard University, 10.03.2016 – NPO)

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