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Biologie

Vögel sind genauso schlau wie Affen

Trotz fehlender Großhirnrinde gibt es Gemeinsamkeiten in der Hirnarchitektur

Vögel besitzen eine andere Hirnstruktur als Säugetiere, dennoch sind sie in der Lage komplexe Aufgaben zu meistern. © Jorg J.M. Massen

Ob Raben, Krähen oder Kakadus: Es gibt einige Vogelarten, die faszinierende mentale Leistungen vollbringen – und das, obwohl Vögeln die zum komplexen Denken nötige Großhirnrinde fehlt. Doch eine neuroanatomische Auswertung belegt nun: Trotz dieses Mankos gibt es Gemeinsamkeiten in der Hirnarchitektur bei Säugern und Vögeln, die die kognitiven Fähigkeiten der schlauen Vögel erklären könnten.

Dass es ziemlich schlaue Vögel gibt, belegen zahlreiche Studien. So können sich Raben in andere hineinversetzen und leisten Teamwork, Krähen zählen ähnlich wie wir und spielen sogar Memory und Kakadus schlussfolgern logisch und entpuppen sich als gewiefte Tresorknacker.

Aber bedeutet all das schon, dass Vögel wirklich intelligent sind? Dass sie vielleicht sogar genauso denken können, wie wir Menschen und unsere engsten Verwandten, die Menschenaffen?

Komplexes Denken ohne Großhirnrinde?

Auf den ersten Blick erscheint das unwahrscheinlich, denn schon die Hirnstruktur beider Tiergruppen ist fundamental verschieden: Bei uns Säugetieren finden komplexere kognitive Prozesse in der Großhirnrinde statt – doch diese Struktur fehlt den Vögeln komplett. Bei ihnen meistert stattdessen das sogenannte Pallium die komplexen mentalen Aufgaben. Zudem haben Vögel erheblich kleinere Gehirne als Menschenaffen.

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„Für uns stellte sich die Frage, wie Vögel trotzdem die gleichen kognitiven Leistungen erbringen können und ob es möglich ist, dass sich in 300 Millionen Jahren unabhängiger Entwicklung der Arten sehr unterschiedliche Hirnmechanismen für komplexe Denkprozesse entwickelt haben“, erklärt Thomas Bugnyar vom Department für Kognitionsbiologie an der Universität Wien.

Ähnlicher als man glaubt

Um dieser Frage nachzugehen, haben Bugnyar und sein Kollege Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum Studien zusammengetragen und ausgewertet, die kognitiven Fähigkeiten von Vögeln untersucht haben. Zusätzlich analysierten sie auch neuroanatomische Studien und suchten dort nach Unterschieden und Parallelen im Denken von Vögeln und Säugetieren.

Das Fazit ihrer Auswertungen: Im Großen und Ganzen sind die Gehirne der beiden Tiergruppen tatsächlich sehr unterschiedlich aufgebaut. Schaut man aber ins Detail, ergeben sich diverse Gemeinsamkeiten. Einzelne Module der Gehirne sind zum Beispiel auf ähnliche Weise verschaltet und beide Tiergruppen besitzen eine präfrontale Hirnstruktur, die ähnliche exekutive Funktionen steuert.

Konvergente Entwicklung

Unklar ist, wie diese Gemeinsamkeiten zustande kamen. Entweder hat der letzte gemeinsame Vorfahre Vögeln und Säugetieren die neuronale Basis dafür vererbt. Oder sie sind unabhängig voneinander in der Evolution entstanden, weil beide Tiergruppen vor ähnlichen Herausforderungen standen. Letzteres halten die beiden Forscher für wahrscheinlicher.

„Klar ist, dass der mehrschichtige Kortex der Säugetiere für komplexe Kognition nicht erforderlich ist“, erklärt Güntürkün. Auch das relative Hirngewicht spiele für die mentalen Fähigkeiten offensichtlich keine Rolle. „Während die Gehirne von Menschenaffen durchschnittlich 275 bis 500 Gramm auf die Waage bringen, schaffen es die kognitiv ebenso geschickten Vögel ohne Kortex gerade einmal auf 5 bis 20 Gramm“, so Bugnyar. (Trends in Cognitive Sciences, 2016; doi: 10.1016/j.tics.2016.02.001)

(Universität Wien, 04.03.2016 – NPO)

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