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Neurobiologie

Musik: „Früh übt sich“ stimmt

Musikalisches Training im Kleinkindalter macht das Gehirn effektiver für das Spiel

Je früher ein Kind mit dem Klavierspielen beginnt, desto effektiver arbeitet sein Gehirn später bei dieser Aufgabe. © Schnapps2012/ iStock.com

Je früher, desto effektiver: Wer schon als Kindergartenkind mit dem Klavierspiel anfängt, dessen Gehirn ist später besser dafür optimiert, wie jetzt Hirnscans belegen. Überraschenderweise haben frühbeginnende Pianisten demnach nicht größere, sondern sogar kleinere klavierbezogene Hirnzentren als Nichtmusiker. Der Grund dafür: Die Koordination der Finger ist effektiver automatisiert und benötigt daher weniger Platz im Gehirn.

Wer jahrelang intensiv ein Instrument spielt, der prägt und verändert auch sein Gehirn. Schon kurzes Üben lässt neue Nervenverbindungen wachsen, beim Zusammenspielen mit anderen synchronisieren sich die Hirnströme und bei Profi-Pianisten erkennt das Gehirn Fehler sogar schon, bevor sie entstehen.

Pianisten im MRT

Man nimmt zudem an, dass ein früher Beginn des musikalischen Trainings besonders starke Spuren hinterlässt. Welche Spuren dies sind, haben nun Lucia Vaquero von der Universität Barcelona und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie analysierten sie die Hirnstrukturen von 36 Klavierstudenten und 15 Nichtmusikern mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT). Sie verglichen dabei Dichte und Größe verschiedener Hirnareale.

Wie erwartet hatten die Pianisten andere Gehirne als die Nicht-Musiker: Bei ihnen waren die Areale größer, die für das Lernen und Gedächtnis zuständig sind, die der Automatisierung von Bewegungen dienen, wie das Putamen und der Thalamus, die Emotionen und Motivation verarbeiten und die Hören und Sprachverarbeitung leisten.

Einige Hirnareale waren bei früh gestarteten Pianisten größer, andere dagegen kleiner © Vaquero et al./ Hochschule für Musik, Theater und Medien

Je früher, desto kleiner

Überraschend aber: Bestimmte Hirnbereiche waren bei den Frühbeginnern unter den Pianisten sogar kleiner. Kleiner waren unter anderem die Hirnareale für das Notenlesen, für die Verarbeitung von Klängen und Musik und für die sensomotorische Kontrolle, wie die Forscher feststellten. Auch die Zentren, die für Automatisierung von Bewegungen zuständig sind, waren umso kleiner, je früher die Musiker mit dem Üben begonnen hatten.

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Diese geringere Größe war aber keineswegs mit Defizienten in der musikalischen Leistung verknüpft – im Gegenteil: Messungen beim Klavierspiel zeigten, dass die Frühbeginner vor allem ihre linke Hand effektiver einsetzten und auch beim Spiel von Tonleitern präziser waren. „Sie besaßen zudem eine höhere zeitliche Präzision in ihrem Spiel als diejenigen, die erst später mit dem Klavierspiel begonnen hatten“, berichten Vaquero und ihre Kollegen.

Besser optimiert

Größer bedeutet demnach nicht automatisch besser, wenn es um Steuerzentren in unserem Gehirn geht. „Die plastischen Anpassungen des Gehirns an bestimmte Fähigkeiten können sowohl Zunahmen als auch Abnahmen in der Grauen Materie des Gehirns hervorrufen“, erklären die Forscher.

Der Grund dafür: „Unser Gehirn optimiert sich vor dem Alter von sieben Jahren und erstellt besonders effiziente Steuerprogramme, die nicht viel Platz brauchen, sehr stabil laufen und auch später im Leben schnelleres Lernen ermöglichen“, erklärt Eckart Altenmüller von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.

Deshalb benötigt die Kontrolle bestimmte Aufgaben später weniger Platz im Denkorgan. „Ein bisschen was ist dann doch an der alten Volksweisheit dran: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, so der Forscher. (NeuroImage, 2016; doi: 10.1016/j.neuroimage.2015.11.008)

(Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, 26.02.2016 – NPO)

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