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Medizin

Genschere schneidet HIV-Erbgut weg

Neuentwickeltes Enzym entfernt Viren-DNA zielgenau aus dem Zell-Erbgut

Für eine Heilung von HIV genügt es nicht, nur die Virenvermehrung zu stoppen, auch die Virus-DNA muss aus den Zellen entfernt werden. Hier sind in Gelb knospende HI-Viren an einer T-Zelle zu erkennen. © NIAID/NIH

Restlos eliminiert: Deutsche Forscher haben eine Genschere entwickelt, die die DNA des HI-Virus aus dem Erbgut der befallenen Zellen herausschneidet. Das Enzym entfernte im Test das Virus zielgenau und vollständig aus Proben infizierter Immunzellen. Auch bei Mäusen mit menschlichen Immunzellen gelang dies größtenteils. Solche Genscheren seien damit ein vielversprechender Ansatz gegen HIV, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Biotechnology.

Hat das Aids-Virus einmal eine Zelle befallen, wird man es so leicht nicht mehr los. Denn der erste Akt des Virus nach der Infektion besteht darin, dass es sein Genom, das sogenannte Provirus, in die DNA der Wirtszelle einschleust. Bisherige HIV-Therapien können zwar verhindern, dass sich das Aids-Virus vermehrt und nach Bauanleitung dieses Genoms weitere Virenpartikel gebildet werden. Das in das Genom der Zellen integrierte HIV-Erbgut bleibt jedoch erhalten.

Genscheren gegen HIV-DNA

Weltweit arbeiten Forscher an Methoden, auch diese letzte Bastion des HI-Virus zu knacken. Schon vor zwei Jahren war es einer Forschergruppe erstmals gelungen, die Viren-DNA aus dem Zell-Erbgut herauszuschneiden. Ihre Enzym-Kombination erkannte die HIV-DNA im Erbgut infizierter Zellen und löst sie heraus. Anschließend fügte das DNA-Reparatursystem der Zelle die losen Enden wieder zusammen.

Das HI-Virus schleust seine DNA in das Genom seiner Wirtszelle ein. © NIH

Eine noch präzisere Genschere in Form eines Designer-Enzyms haben nun Janet Karpinski von der TU Dresden und ihre Kollegen entwickelt. Die Rekombinase Brec1 erkennt eine 34 Basenpaare lange Sequenz im Virengenom und setzt hier ihren Schnitt an. An Zellisolaten von HIV-Patienten getestet, gelant es in 90 Prozent das Fälle, das Provirus zielgenau aus der menschlichen Wirtszelle zu entfernen.

Erster Test an Mäusen erfolgreich

In einem weiteren Versuch testeten die Forscher die Wirksamkeit ihrer Rekombinase am lebenden Tier. Dafür nutzen sie genmanipulierte Mäuse, denen menschliche, mit HIV-infizierte Lymphozyten gespritzt worden waren. Nachdem sich diese infizierten Zellen etabliert hatten, behandelten Karpinski und ihre Kollegen die Tiere mit der Genschere.

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Das Ergebnis: Die Virenlast im Blut der behandelten Mäuse sank in den Wochen nach der Einschleusung deutlich ab. Nähere Untersuchen ergaben zudem, dass zumindest in einem Teil der ursprünglich infizierten Zellen nun keine HIV-DNA mehr zu finden war. „Zusammen demonstriert dies eine substanzielle antivirale Aktivität von Brec1 auch auf Organismen-Ebene“, konstatieren die Wissenschaftler.

In Zellkulturen und bei Mäusen wirkt die neue Rekombinase - ob sie es auch beim Menschen tut, muss sich aber erst noch zeigen. © HPI/ Udo Thomas

„Vielversprechender Kandidat für eine Therapie“

Zellschädigende oder genotoxische Nebeneffekte waren ihren Angaben nach nicht zu beobachten. Im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen erwies sich die neuentwickelte Rekombinase zudem als zielgenauer als vorhergehende Genscheren. Nach Ansicht von Karpinski und ihre Kollegen könnte sich Brec1 daher als vielversprechender Kandidat, um gemeinsam mit anderen Ansätzen HIV-Patienten vollkommen vom Virus zu befreien.

Eingesetzt werden könnte das neue Enzym beispielsweise im Rahmen einer Stammzelltherapie, so die Forscher. Bei dieser würde man Vorläuferzellen der von HIV vorrangig befallenen CD4+-Immunzellen von vornherein mit der Bauanleitung für diese Genschere ausrüsten. Dadurch produzieren die Zellen dann von selbst dieses Enzym und können die HIV-DNA bei einer Infektion sofort aus ihre Genom herausschneiden.

Schleust man diese manipulierten Stammzellen in HIV-Patienten ein, produzieren sie in deren Körper CD4-Zellen, die alle diese Rekombinase besitzen. „In Bezug auf Brec1 ist eine klinische Phase-1 Studie mit einer kleinen Zahl von HIV-Patienten durchaus vorstellbar“, konstatieren Karpinski und ihre Kollegen. (Nature Biotechnology, 2016; doi: 10.1038/nbt.3467)

(Nature/ TU Dresden, 23.02.2016 – NPO)

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