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Geowissen

Rätselhafte Lücke in der San Andreas-Verwerfung

Erdbebenherde sparen eine fünf Kilometer dicke Gesteinsschicht komplett aus

Luftaufnahme der San Andreas-Verwerfung im kalifornischen San Luis Obispo County. © Lkluft/ CC-by-sa 4.0

Verdächtige Ruhe: Im San Andreas Graben haben Seismologen eine überraschend bebenfreie Zone entdeckt: Unterhalb von 15 Kilometer Tiefe fanden sie eine Schicht, in der kein einziger Erdbebenherd lag. Stattdessen hören die typischen Flachbeben oberhalb auf und die Niedrigfrequenz-Beben beginnen erst darunter. Warum das so ist, ist bisher unbekannt. Unklar ist auch, ob von dieser Ruhezone eine erhöhte Gefahr für ein Starkbeben ausgeht.

Der San Andreas-Verwerfung ist die wahrscheinlich bekannteste tektonische Störung weltweit. Denn sie bringt kalifornischen Millionenstädten wie Los Angeles und San Francisco ein akutes Erdbebenrisiko, wie aktuelle Studien bestätigen. Um diese Gefahr besser einschätzen zu können, untersuchen Seismologen noch die kleinste Regung entlang dieser Transform-Störung.

Klare Zweiteilung der Bebenherde

Rebecca Harrington von der kanadischen McGill University und ihre Kollegen liefern nun ein weiteres Puzzleteil zur Geologie der San Andreas-Verwerfung. Sie haben für ihre Studie die Daten eines Seismografen-Netzwerks in der Nähe des Orts Cholame ausgewertet und dabei die Herde von 68 Erdbeben genauer lokalisiert.

Dabei zeigte sich: In der Zeit zwischen Mai 2010 und Juli 2011 ereigneten sich in diesem Bereich der San Andreas-Verwerfung 34 normale Erdbeben mit typisch flachen, weniger als 15 Kilometer unter der Erdoberfläche liegenden Herden. Die restlichen 34 Beben waren dagegen sogenannte Niedrigfrequenz-Beben (LFE). Diese entstehen in mehr als 20 Kilometern Tiefe und erzeugen besonders langsame Erschütterungen.

Rebecca Harrington bei der installation einer temporären Messstation an der San Andreas Verwerfung. © Rebecca Harrington

Rätselhaft bebenfreie Zone

In der Zone zwischen rund 15 und 20 Kilometern Tiefe lag dagegen keines der analysierten Beben, sie scheint komplett bebenfrei zu bleiben. „Unsere Ergebnisse beleuchten eine mögliche Lücke zwischen den tieferen Niedrigfrequenz-Beben und den flacheren Erdbeben“, berichtet Harrington. „Diese Lücke könnte eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Spannungen in den bebenerzeugenden Teil der Verwerfung spielen.“

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Die Lage dieser bebenfreien Grenzzone variiert entlang der San Andreas-Verwerfung ein wenig, folgt aber ungefähr einer Schicht in der Kruste, in der die Temperaturen bei rund 350 Grad liegen, wie die Forscher berichten. Warum in dieser Schicht keine Erdbeben ausgelöst werden, ist bislang unklar. Es könnte mit der Art der dort vorhandenen Gesteine zusammenhängen, aber auch von der Präsenz von Flüssigkeit im Gestein.

Ursache und Folgen noch unbekannt

„Es ist seltsam, dass es keinen allmählicheren Übergang zwischen den Herden der beiden Erdbebentypen gibt“, sagt Harrington. Die Gründe dafür zu verstehen sei aber wichtig, um künftige Erdbebenrisiken besser abschätzen zu können. Denn es könnte einerseits sein, dass die beiden Platten in dieser Zone mehr oder weniger ohne großes Verhakten oder Reibungen aneinander vorbeigleiten.

Möglich wäre aber auch, dass sich in dieser Zone Spannungen aufstauen und sich erst entladen, wenn sie sehr groß sind – dann könnte ein besonders starkes Beben die Folge sein. „Wir müssen daher dringend besser verstehen, wie sich die Bewegung an dieser Grenze während eines seismischen Zyklus entwickelt“, betont die Forscherin. Sie und ihre Kollegen wollen dafür nun weitere Aufzeichnungen von Niedrigfrequenz-Beben an der San Andreas-Verwerfung auswerten. (Bulletin of the Seismological Society of America, 2016)

(Seismological Society of America, 26.01.2016 – NPO)

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