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Neurobiologie

Psychopathen: Testosteron macht es schlimmer

Verbindung zwischen Kontroll- und Gefühlszentrum ist gestört

Bei Psychopathen reagiert das Gehirn anders auf Gefühle © Erniel Henning/ freeimages

Gestörte Verbindung: Bei Psychopathen ist die Verbindung zwischen dem Kontrollzentrum im Stirnhirn und dem Gefühlszentrum gestört, wie ein Experiment nun nahelegt. Das erklärt, warum diese Menschen zwar kein Mitgefühl empfinden, aber durchaus Wutanfälle und andere Gefühlsausbrüche bekommen können. Interessant auch: Das Geschlechtshormon Testosteron scheint die Störung dieser Kontrolle sogar noch zu verschlechtern.

Sie gelten als gefühlskalt und berechnend: Psychopathen empfinden gängiger Ansicht nach selbst kaum Emotionen und sind unfähig, mit anderen mitzufühlen. Ihre verringerte Fähigkeit zur Empathie verrät sich unter anderem daran, dass sie seltener vom Gähnen anderer angesteckt werden und auch ihre Spiegelneuronen sind weniger aktiv, wie Studien zeigen. Kein Wunder, dass rund 20 bis 30 Prozent der wegen schwerer Gewalttaten im Gefängnis sitzenden Kriminellen psychopathische Tendenzen aufweisen.

Woher kommen die Ausbrüche?

Doch wie sich zeigt, macht nicht nur die vermeintliche Gefühlskälte Psychopathen besonders häufig zu Mördern oder Totschlägern – es sind im Gegenteil zu viele Emotionen. Denn diese Menschen fühlen durchaus Wut oder Angst, es fehlt aber die Kontrolle und Dosierung. Als Folge rasten sie im falschen Moment aus.

Warum das so ist, haben nun Karin Roelofs von der Radboud Universität und ihre Kollegen in einem Experiment näher untersucht. Ihr Verdacht: Bei Psychopathen könnte die Verbindung von präfrontalem Cortex und dem Gefühlszentrum, der Amygdala gestört sein. Denn normalerweise sorgt diese Verschaltung dafür, dass unser rationales Entscheidungszentrum im Stirnhirn die Gefühlsausbrüche der Amygdala mäßigt.

Um das zu überprüfen, führten die Forscher ein Experiment mit 15 kriminellen Psychopathen durch, die in einer forensischen Psychiatrie einsitzen. Die Probanden erhielten einen Joystick und ihnen wurden Bilder von fröhlichen oder wütenden Gesichtern gezeigt, während ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomografen gemessen wurde.

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Die Amygdala ist ein Zentrum für die Gefühlsverarbeitung im Gehirn © Life Science Databases(LSDB)/ CC-BY-SA-2.1-jp

Verbindung gestört

Der Clou daran: Bei solchen Bildern besteht die unbewusste Tendenz, den Joystick bei fröhlichen Gesichtern zu sich und bei wütenden von sich weg zu ziehen, wie die Forscher erklären. Im ersten Durchgang ermittelten sie die Reaktionszeit für diese unbewusste Reaktion. Im zweiten Test bekamen die Probanden die Aufgabe, den Joystick bewusst gegen den Reflex zu bewegen – also zu sich hin beim wütenden Gesicht und von sich weg beim fröhlichen.

Das Ergebnis: „Bei den Psychopathen haben wir signifikant weniger Aktivität zwischen dem präfrontalen Cortex und der Amygdala beobachtet als bei gesunden Kontrollprobanden“, berichtet Roelofs. „Bei ihnen gibt es offensichtlich weniger Kommunikation zwischen den Kontroll- und Emotionszentren.“ Diese mangelnde Verbindung könnte die impulsiven Gefühlsausbrüche von Psychopathen erklären.

Testosteron wirkt mit

Aber das Experiment zeigte noch etwas: Je mehr Testosteron das Blut der psychopathischen Probanden enthielt, desto ausgeprägter war die Verbindungsstörung in ihrem Gehirn. Das männliche Geschlechtshormon scheint demnach zu beeinflussen, wie stark ein Psychopath unter unkontrollierten Gefühlsausbrüchen leidet.

„Dieser neuro-hormonelle Zusammenhang unterstreicht, wie wichtig es ist, den Testosteronspiegel von psychopathischen Patienten oder Straftätern zu bestimmen“, betonen die Forscher. Denn er gebe einen Hinweis darauf, wie gravierend die Störung sei und auch, welche Behandlung erfolgversprechend sein könnte.

Auf Basis dieser Erkenntnis könnte es sogar sein, dass das Risiko für Wutanfälle und Ausraster sich über eine Hormontherapie vermindern ließe. Denn wenn man den Spiegel des Geschlechtshormons absenkt, dann verbessert sich offenbar auch die regulierende Verbindung zwischen Stirnhirn und Amygdala wieder. Ob und wie das funktionieren könnte, muss jedoch noch untersucht werden. (eNeuro, 2016; doi: 10.1523/ENEURO.0107-15.2016)

(Radboud University, 22.01.2016 – NPO)

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